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Eiseskälte: Island-Krimi (German Edition)

Eiseskälte: Island-Krimi (German Edition)

Titel: Eiseskälte: Island-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indriðason
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wissen zu wollen, weshalb er gekommen war. Es wirkte beinahe wie eine Selbstverständlichkeit, dass sie beide in ihrem Wohnzimmer saßen und gemeinsam schwiegen.
    »Ich bin heute nach Egilsstaðir gefahren«, sagte Erlendur schließlich.
    »Ach ja?«, entgegnete Hrund. »Möchtest du mir davon erzählen? Hol dir Kaffee, wenn du einen magst. Er ist in der Thermoskanne, und die Tassen sind im Schrank über der Spüle.«
    Erlendur stand auf, ging in die Küche und holte sich eine Tasse Kaffee. Als er wieder ins Wohnzimmer kam, hatte Hrund sich umgedreht und sah ihn erwartungsvoll an.
    »Ich vermute, du stellst Nachforschungen über Matthildur an«, sagte sie.
    »Das ist richtig.«
    »Dann hast du also meinen Neffen besucht«, fuhr sie fort. »Ist er nicht im Altersheim?«
    Erlendur nickte.
    »Ich habe nie Verbindung zu ihm gehabt. Irgendwie ist es nicht dazu gekommen.«
    »So ist es häufig«, sagte Erlendur und musste an die Familie denken, die er selbst gegründet hatte. »Er ist ganz gut dabei, allerdings auf einem Auge fast erblindet. Er hat mir gestattet, dass ich mir den Inhalt einer Kiste anschaue, die deiner Schwester Ingunn gehört hat. In der habe ich alte Briefe und dergleichen gefunden.«
    »Und, hat es dir irgendetwas gebracht?«
    »Nein, viel war es nicht.«
    »Ich habe leider keine Briefe von Matthildur, falls du auf der Suche nach so etwas sein solltest.«
    »Nein, ich verstehe. Ich denke aber tatsächlich darüber nach, ob es nicht noch anderswo irgendetwas gibt, was von Matthildur stammt. Ich meine, etwas aus ihrem persönlichen Besitz. Es müsste doch zumindest irgendein Foto von ihr geben?«
    »Über ihr Hab und Gut weiß ich nichts, aber ich habe ein Bild von uns Schwestern, ich muss es bloß finden«, erklärte Hrund. Sie stand auf und ging in ihr Schlafzimmer. Erlendur hatte ein schlechtes Gewissen, dass er sie wieder belästigte, aber andererseits glaubte er zu wissen, dass sie einsam war und ihr ein wenig Gesellschaft ganz guttun musste, auch wenn es nur seine war.
    Hrund kam mit zwei Schuhkartons aus dem Schlafzimmer zurück, setzte sich zu ihm an den Tisch und begann, darin zu kramen.
    »In den Fotoalben ist kein Bild von ihr«, sagte sie. »Und irgendwie hatte ich nie Lust, diese ganzen Bilder richtig zu sortieren. Mein Mann ist tot, habe ich dir das schon gesagt?«
    »Nein«, sagte Erlendur. Von Bóas wusste er, dass sie Witwe war und zwei Söhne hatte, die zum Studium nach Reykjavík gegangen waren und seitdem nur noch selten zu Besuch kamen.
    »Hier sind ein paar Fotos von meinem Mann, die hatte ich schon fast vergessen. Und hier sind wir vier Schwestern bei der Heuernte.«
    Sie reichte Erlendur ein Schwarz-Weiß-Foto, dem man sein Alter ansehen konnte. Die Rückseite war ganz vergilbt, und außerdem war es fleckig, so als hätte jemand Kaffee oder etwas in der Art darübergegossen. Die vier Schwestern standen auf einer Heuwiese, alle kerzengerade und mit Rechen bewaffnet, mit denen sie das Heu gehäufelt hatten. Die Sonne strahlte vom Himmel herunter, und die vier strahlten in die Kamera, alle in Kleidern und zwei von ihnen mit Kopftüchern. Sie hatten sich Seite an Seite für den Fotografen aufgestellt, und man sah ihnen an, wie ungetrübt fröhlich sie an einem längst vergangenen Sommertag gewesen waren.
    »Unsere Mutter hat das Foto gemacht«, sagte Hrund. »Die Kamera gehörte ihrem zweiten Mann. Ich bin das Nesthäkchen da ganz links, ich war so viel jünger als die anderen. Und daneben ist Ingunn mit dem Kopftuch, und neben ihr steht Matthildur. Und ganz rechts, das ist die gute Jóhanna.«
    Das Foto war nicht sehr deutlich, aber Erlendur konnte doch ungefähr die Gesichtszüge von Matthildur erkennen. Ihre Augen lagen tief, und etwas wie Entschlossenheit lag in ihrer Miene. Erlendur drehte das Bild um, weil er hoffte, dass jemand vielleicht eine Jahreszahl auf die Rückseite geschrieben hatte, doch das war nicht der Fall.
    »Das Bild ist wahrscheinlich etwa acht Jahre vor ihrem Tod gemacht worden«, erklärte Hrund, die seine Gedanken zu lesen schien. »Das war irgendwann während der Weltwirtschaftskrise.«
    »Ingunn und Jóhanna gingen nach Reykjavík, haben sie sich gemeinsam dazu entschlossen?«
    »Nein, zuerst ging Jóhanna, und Ingunn ist ihr dann gefolgt. Das war kurz nachdem dieses Foto gemacht wurde. Damals hat sich alles so rasant schnell geändert. Gerade waren wir noch alle vier zusammen zu Hause, alles war lustig und voller Leben. Und im nächsten Moment waren wir in

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