Eiseskälte: Island-Krimi (German Edition)
euer dreckiges Techtelmechtel bekommen habe?«, fragte Jakob. »Hab ich dir das schon gesagt?«
»Nein, das hast du mir nicht gesagt.«
»Ich hatte euch schon längere Zeit im Verdacht. Matthildur und ich hatten uns gestritten, wegen ihrer Schwester und diesem verdammten Balg. Das will ich gar nicht leugnen. Dadurch änderte sich etwas in unserer Beziehung, aber ich glaubte, wir würden darüber hinwegkommen. Bis sie dann auf einmal irgendwelche Vorzüge in dir gesehen hat. Ausgerechnet in dir! Ich habe so lange gebraucht, um zu kapieren, was da ablief, weil du es warst. Du, Ezra! Von dir hatte doch noch nie irgendein Weibsbild etwas wissen wollen! Was hat sie in dir gesehen?!«
Ezra schwieg. Wahrscheinlich hatte er all das verdient, was Jakob in seiner Wut zu ihm sagte. Deswegen war er zu Jakob gegangen. Um die Anschuldigungen zu hören, um seinen Zorn und seine Schmähungen über sich ergehen zu lassen.
»Jedes verdammte Schwein hätte es sein dürfen, aber nicht du. Alle anderen, nur nicht du, Ezra. Was würden die Leute von mir denken, wenn sie gewusst hätten, dass sie mit einem so grundhässlichen Mann wie dir ins Bett gehüpft ist, einem Kerl, der noch nie eine Frau angerührt hat? Was würden die Leute über mich denken, über mich ?!«
Ezra antwortete nicht darauf.
»Ich bin nach Reyðarfjörður gefahren und hab vorgegeben, dort über Nacht bleiben zu wollen. Kannst du dich erinnern? Ninnas Sohn Viggi hat mich mitgenommen.«
Ezra schwieg immer noch.
»Erinnerst du dich daran, du Arschloch?«, brüllte Jakob.
Ezra nickte.
»Und ich bin auch gefahren«, sagte Jakob. »Aber ich bin noch am gleichen Abend zurückgekommen und habe gesehen, wie sie im Schutz der Dunkelheit zu dir geschlichen ist. Ich habe euch zusammen gesehen, Ezra. Ich stand draußen vor dem Haus und hab alles gesehen. Alles!«
»Weswegen bist du nicht dazwischengetreten? Weshalb hast du uns nicht zur Rede gestellt?«
Jakob senkte den Kopf wie in Resignation.
»Ezra … Du glaubst, dass alles so einfach ist«, sagte er zunächst ganz leise, doch dann wurde er wieder lauter. »Alles so simpel und einfach. Weswegen bist du nicht dazwischengetreten? Weshalb hast du uns nicht zur Rede gestellt? Was sollen denn diese Fragen? Was hätte ich denn zu euch sagen sollen? Was hätte ich zu dir sagen sollen? Hör auf, meine Frau zu vögeln?«
Jakob hatte wieder angefangen zu brüllen.
»War das etwas, worüber man reden sollte? Worüber ich mit dir reden sollte, Ezra?! Mit dir?«
»Ich verstehe deine Wut.«
»Wut?«, flüsterte Jakob, nun wieder etwas ruhiger. »Du hast ja keine Ahnung. Meine Wut habe ich mir nämlich aufgespart, bis ich sie wirklich brauchte. Ich bin einfach nach Hause gegangen und habe der Wut gestattet, in mir zu brodeln und zu kochen, bis ich glaubte, ich müsste daran ersticken.«
Ezra schwieg.
»Ich lasse mich nicht so behandeln«, sagte Jakob. »Das lasse ich nicht zu. Und das habe ich ihr auch gesagt. Ich habe ihr klipp und klar gesagt, dass ich mich nicht so behandeln lasse.«
»Wollte sie deswegen nach Reyðarfjörður gehen?«, fragte Ezra zögernd. Er war sich nicht sicher, ob er die Antwort hören wollte. »War es unsertwegen?«
»So war es, Ezra, sie musste gehen«, sagte Jakob und setzte die Flasche an den Hals. »Deswegen musste sie diese lange Reise antreten.«
Dreiunddreißig
Ezra hatte die Schrotflinte zur Seite gelegt, während er erzählte. Erlendur wusste nicht, ob ihm das bewusst war, so tief wie Ezra in der Erinnerung an das Zusammentreffen mit Jakob vor mehr als sechzig Jahren versunken war. Erlendur hatte ihm schweigend gelauscht, und darüber war es dunkel im Zimmer geworden. Er fragte sich, ob dem alten Mann nicht kalt war, denn er saß immer noch in Unterhemd und Pantoffeln da, die im Schnee nass geworden waren. Es war nicht allzu warm im Haus, also fragte er Ezra, ob er sich nicht eine Strickjacke anziehen oder eine Decke über die Schultern legen wollte. Ezra ging nicht darauf ein. Erlendur stand auf, suchte nach einer Decke und legte sie ihm über die Schultern. Bei der Gelegenheit brachte er auch die Schrotflinte in Sicherheit. Sie enthielt eine Patrone, die er herausholte. Ezra erhob keine Einwände.
Daraufhin herrschte lange Zeit Schweigen im Wohnzimmer, das nur hin und wieder von dankbaren Vogellauten durchbrochen wurde. Ezra hatte hinter dem Haus Vogelfutter gestreut, und Schneeammern waren aus allen Richtungen herbeigeflogen. Erlendur bot ihm an, Kaffee zu kochen, aber Ezra
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