Eisfieber - Roman
»Ich sehe, es geht Ihnen schon wieder besser.«
Tonis Mutter saß neben Don. »Dieser nette Junge namens Steven hat mir eine Tasse Tee gemacht«, sagte sie. Der Welpe saß ihr zu Füßen auf ausgebreitetem Zeitungspapier, und sie fütterte ihn mit Keksen.
»Danke, Steve«, sagte Toni.
»Wäre ein netter Freund für dich«, erklärte ihre Mutter.
»Er ist verheiratet«, gab Toni zurück.
»Das scheint heutzutage niemanden mehr zu stören.«
»Mich schon.« Toni wandte sich an Steve. »Wo ist Carl Osborne?«
»Auf der Toilette.«
Toni nickte und zog ihr Handy hervor. Die Polizei musste benachrichtigt werden.
Sie erinnerte sich, was Steve Tremlett ihr über das Dienst habende Personal in der Polizeiwache von Inverburn berichtet hatte: ein Inspector, zwei Sergeants und sechs Constables, dazu ein Superintendent in Bereitschaft. Das reichte für einen Fall von dieser Größenordnung nicht einmal annähernd aus. Toni wusste, was sie tun würde, wenn sie das Sagen hätte: Sie würde zwanzig bis dreißig Ermittler alarmieren, Schneepflüge einsetzen, Straßensperren errichten lassen und für die Festnahme der Täter eine bewaffnete Einsatzgruppe bereithalten. Vor allem aber würde sie schnell handeln.
Sie fühlte sich jetzt wieder gestärkt. Das Entsetzen, das sie angesichts der Bilder aus dem Labor befallen hatte, wich allmählich der Konzentration auf die anstehenden Aufgaben. Konkretes Handeln richtete sie stets wieder auf – und die Polizeiarbeit lag ihr ohnehin am besten.
Auch diesmal meldete sich David Reid am Telefon. Als Toni ihren Namen nannte, sagte er: »Wir haben einen Streifenwagen zu Ihnen geschickt, aber die Kollegen sind wieder umgekehrt. Das Wetter …«
Toni fühlte sich wie vor den Kopf geschlagen. Sie hatte fest mit dem baldigen Eintreffen der Polizei gerechnet. »Meinen Sie das im Ernst?«, fragte sie mit erhobener Stimme.
»Haben Sie sich die Straßen mal angesehen? Überall sind Fahrzeuge liegen geblieben. Es muss ja nicht auch noch unsere Streife im Schnee stecken bleiben.«
»Herrgott! Was für Waschlappen stellt ihr denn heutzutage ein?«
»Diese Bemerkung war jetzt fehl am Platz, Madam.«
Toni riss sich am Riemen. »Ja, Sie haben Recht, ich bitte um Entschuldigung.« Sie erinnerte sich an ihre eigene Ausbildung: Misslungene Polizeieinsätze in Krisenfällen waren oft auf die Fehleinschätzung des Falles in den ersten Minuten nach der Meldung zurückzuführen, und dazu kam es vor allem, wenn unerfahrene Beamte wie P. C. Reid diese Meldung entgegennahmen. Ihre wichtigste Aufgabe bestand daher jetzt darin, dem Mann Schlüsselinformationen zur Weiterleitung an seine Vorgesetzten zu geben. »Die Lage ist folgende«, sagte sie. »Erstens: Die Diebe haben eine erhebliche Menge des tödlichen Virus Madoba - 2 gestohlen, das heißt, wir haben es mit einem biologischen Störfall und einer Biogefährdung zu tun.«
»Biologischer Störfall … Biogefährdung«, wiederholte Reid, und es klang, als notiere er sich die Worte.
»Zweitens: Bei den Tätern handelt es sich um drei Männer – zwei weiß, einer schwarz – und eine weiße Frau. Sie fahren einen Lieferwagen mit dem Emblem der Hibernian Telecom sowie dem dazugehörigen Schriftzug.«
»Können Sie mir eine genauere Beschreibung der Täter geben?«
»Unser Werkschutzleiter wird Sie gleich anrufen und das tun – er hat die Leute gesehen, ich nicht. Drittens: Wir haben hier zwei Verwundete. Eine Mitarbeiterin wurde mit einem Totschläger traktiert, der andere Kollege mit Tritten an den Kopf misshandelt.«
»Wie schwer sind die Verletzungen nach Ihrer Einschätzung?«
Das habe ich ihm doch bereits gesagt, dachte Toni, der junge Mann liest seine Fragen offenbar von einer Liste ab … »Die Mitarbeiterin, die mit dem Totschläger verletzt wurde, braucht einen Arzt.«
»Verstanden.«
»Viertens: Die Täter waren bewaffnet.«
»Um welche Art von Waffen handelt es sich?«
Toni wandte sich an Steve, der ein Waffenfan war. »Haben Sie die Pistolen identifizieren können?«
Steve nickte. »Alle drei hatten eine automatische Pistole vom Typ Browning neun Millimeter – die mit einem Dreizehner-Magazin. Für mich sah das nach alten Armeebeständen aus.« Toni gab die Beschreibung an den Polizisten weiter.
»Bewaffneter Raubüberfall also«, erwiderte er.
»Richtig – aber das Wichtigste ist, dass sie noch nicht weit gekommen sein können und dass das Fluchtfahrzeug leicht zu identifizieren ist. Wenn wir uns beeilen, können wir sie
Weitere Kostenlose Bücher