Eisfieber - Roman
Teetasse und füllte sie wieder – mit Whisky.
Kit konnte die Anspannung kaum noch ertragen. Nigel und Elton fanden sich in der Rolle der zufällig in ein Unwetter geratenen Autoreisenden offenbar ganz gut zurecht, aber bei Daisy war Hopfen und Malz verloren. Sie sah aus wie eine Ganovin und benahm sich wie ein Hooligan.
Als sie den Whisky auf den Küchentisch stellte, nahm Stanley die Flasche an sich, verkorkte sie wieder und sagte mit sanfter Stimme: »Passen Sie auf, dass Sie sich nicht betrinken, junge Frau.«
Dass ihr jemand sagte, was sie zu tun oder zu lassen hatte, war Daisy nicht gewöhnt. Die meisten Menschen, die sie kannten, hatten ohnehin zu viel Angst vor ihr. Sie sah Stanley an, als wäre sie drauf und dran, ihm den Hals umzudrehen. In seinem grauen Pyjama und dem schwarzen Morgenmantel wirkte er sehr elegant, aber auch sehr verletzlich. Kit rechnete jeden Moment damit, dass Daisy explodierte.
»Ein bisschen Whisky möbelt einen auf, zu viel Whisky macht einen kränker, als man ist«, fuhr Stanley fort und stellte die Flasche in den Küchenschrank. »Das sagte mein Vater immer, und der war ein ausgesprochener Whiskyfreund.«
Nur mit Mühe konnte Daisy ihren Jähzorn im Zaum halten. Kit sah ihr an, wie schwer es ihr fiel. Was passiert, wenn sie die Beherrschung verliert, dachte er voller Angst. Doch in diesem Augenblick betrat seine Schwester Miranda in einem pinkfarbenen Nachthemd mit Blumenmuster die Küche und sorgte mit ihrem Auftritt für eine gewisse Entspannung.
»Hallo, meine Liebe, du bist aber früh auf«, begrüßte Stanley seine Tochter.
»Ich konnte lange nicht einschlafen. Irgendwann bin ich dann zu Kit ins Zimmer und hab mich auf den alten Schlafsessel gelegt. Fragt mich bloß nicht nach den Gründen dafür!« Neugierig musterte sie die Gäste. »Ist es nicht noch ein bisschen früh für Weihnachtsbesucher?«
»Das ist meine Tochter Miranda«, sagte Stanley. »Mandy, das sind Nigel, Elton und Daisy.«
Erst vor wenigen Minuten hatte Kit die drei seinem Vater vorgestellt und ihm dabei, bevor er merkte, dass es ein Fehler war, die richtigen Namen genannt.
Miranda nickte ihnen zu. »Hat euch der Weihnachtsmann gebracht?«, fragte sie fröhlich.
»Ihr Wagen hat oben an der Hauptstraße den Geist aufgegeben«, erklärte Kit. »Ich hab sie mitgenommen. Dann kamen wir auch mit meinem Wagen nicht mehr weiter und mussten den Rest des Weges zu Fuß gehen.« Er hatte keine Ahnung, ob Miranda ihm die Geschichte abnehmen würde. Und was sollte er sagen, wenn sie sich danach erkundigen sollte, was es mit der burgunderfarbenen Aktentasche auf sich hatte, die wie eine tickende Zeitbombe auf dem Küchentisch stand?
Seine Schwester wunderte sich über einen ganz anderen Aspekt der Geschichte. »Ich wusste gar nicht, dass du unterwegs warst! Mitten in der Nacht und bei diesem Wetter! Wo warst du denn nur, um alles in der Welt?«
»Ach, weißt du …«, Kit grinste dämlich und legte eine Kunstpause ein. Er hatte sich schon überlegt, wie er seinen nächtlichen Ausflug erklären wollte. »Ich konnte auch nicht einschlafen. Hab mich einsam gefühlt und bin dann irgendwann los, um eine alte Freundin in Inverburn zu besuchen.«
»Welche? Die meisten jungen Frauen in Inverburn sind alte Freundinnen von dir.«
»Ich glaube nicht, dass du sie kennst.« Kit ließ sich schnell einen Namen einfallen. »Lisa Freemont.« Im nächsten Augenblick hätte er sich am liebsten auf die Zunge gebissen. Der Name stammte aus einem Hitchcock-Film.
Doch Miranda schien der Name nichts zu sagen. »Hat sie sich über deinen Besuch gefreut?«
»Sie war gar nicht zu Hause.«
Miranda wandte sich ab und griff nach der Kaffeekanne.
Kit fragte sich, ob sie ihm die Geschichte abnahm. Besonders gut war sie nicht. Wie dem auch sein mochte – aus welchem Grunde er log, konnte Miranda sicher nicht erraten. Wahrscheinlich würde sie glauben, dass er in eine Affäre verwickelt war, von der niemand erfahren sollte – vermutlich deshalb, weil die betreffende Frau verheiratet war.
Während Miranda sich Kaffee einschenkte, wandte sich Stanley an Nigel. »Wo kommen Sie denn her? Vom Akzent her sind Sie kein Schotte.« Es klang wie banaler Smalltalk, doch Kit war klar, dass sein Vater Genaueres wissen wollte.
Nigel antwortete im gleichen gelassenen Tonfall: »Ich wohne in Surrey, arbeite aber in London. Mein Büro ist in der Canary Wharf.«
»Sie sind also in der Finanzwelt tätig.«
»Ich vermittle High-Tech-Systeme in
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