Eisfieber - Roman
und Äpfeln, ja es hing immer noch ein Hauch von den französischen Zigaretten im Raum, die Mamma Marta geraucht hatte. Kein anderes Domizil hatte in Mirandas Seele dieses Zuhause ersetzen können: weder das Apartment in Camden Town, in dem sie ihre wilden Jahre verbracht hatte, noch das moderne Vorstadthaus, wo sie während ihrer kurzen Ehe mit Jasper Casson gelebt hatte, und auch nicht die Wohnung in Glasgow, in der sie Tom aufgezogen hatte, zuerst allein und mittlerweile gemeinsam mit Ned.
Eine ausgewachsene schwarze Großpudelhündin namens Nellie wackelte vor Freude mit dem ganzen Körper und schleckte alle ab, deren sie habhaft werden konnte. Miranda begrüßte Luke und Lori, das philippinische Hausmeisterehepaar, das gerade das Mittagessen vorbereitete. »Ihr Vater ist eben erst heimgekommen«, sagte Lori. »Er wäscht sich gerade die Hände.«
Miranda trug Tom und Sophie auf, den Tisch zu decken. Sie wollte nicht, dass die Kinder vor dem Fernsehapparat Wurzeln schlugen und sich den Rest des Nachmittags nicht mehr von der Stelle bewegten. »Du kannst Sophie zeigen, wo alles ist, Tom«, sagte sie. Wenn sie eine Aufgabe hatte, würde es Sophie leichter fallen, sich als Familienmitglied zu fühlen.
Im Kühlschrank lagen einige Flaschen von Mirandas Lieblingsweißwein. Daddy trank nicht viel, doch Mamma hatte sich ihren Wein nicht nehmen lassen, und so hatte Stanley immer dafür gesorgt, dass der Vorrat nicht ausging. Miranda entkorkte eine Flasche und goss Ned ein Glas ein.
Kein schlechter Anfang, fand sie: Sophie half Tom bereitwillig beim Auslegen des Bestecks, und Ned nippte zufrieden am Sancerre. Vielleicht war dieses Bild die richtige Einstimmung für die Feiertage, nicht der Auftritt mit Jennifer.
Wenn Ned wirklich in Zukunft sein Leben mit Miranda teilen wollte, dann musste er dieses Haus und die Familie, die darin aufgewachsen war, lieben. Er war schon einige Male hier gewesen, allerdings nie mit Sophie, und er hatte auch noch nie im Haus übernachtet. Es war also sein erster längerer Besuch. Miranda wünschte sich, dass er sich wohl fühlte und mit allen gut auskam. Jasper, ihrem Ex-Mann, hatte es in Steepfall nie gefallen. Am Anfang war er über seinen Schatten gesprungen und hatte alle für sich eingenommen, doch bei späteren Besuchen hatte er sich sehr zurückgezogen und war nach der Abfahrt regelmäßig furchtbar wütend gewesen. Er konnte Stanley offenbar nicht leiden und hielt ihn für »autoritär«, was irgendwie seltsam war, denn Stanley ordnete so gut wie nie etwas an (ganz anders als Mamma Marta, die ein so strenges Regiment führte, dass ihre Kinder sie manchmal »Mamma Mussolini« nannten). Jetzt, im Rückblick, wurde Miranda klar, dass Jasper seine Macht über sie in Gegenwart eines anderen Mannes, der sie liebte, bedroht gesehen hatte. War ihr Vater in der Nähe, traute Jasper sich nicht, sie zu unterdrücken.
Das Telefon klingelte. Miranda griff zum Apparat, der an der Wand neben dem großen Kühlschrank hing. »Hallo?«
»Miranda? Hier ist Kit.«
Sie freute sich. »Hallo, kleiner Bruder! Wie geht’s dir?«
»Ich bin fix und fertig, um ehrlich zu sein.«
»Und warum?«
»Ich – ich bin in einen Swimmingpool gefallen. Lange Geschichte. Wie sieht’s aus in Steepfall?«
»Wir sitzen gerade am Küchentisch, trinken Daddys Wein und wünschen uns, du wärst auch hier.«
»Na ja, ich bin unterwegs. Ich komme nun doch.«
»Super!«, rief Miranda und verzichtete bewusst auf die Frage nach den Gründen für seinen Sinneswandel. Wahrscheinlich würde er ohnehin nur wieder »lange Geschichte« sagen.
»In ungefähr einer Stunde bin ich da. Aber hör mal – kann ich trotzdem im Gästehaus schlafen?«
»Warum nicht? Letztlich muss es Daddy entscheiden, aber ich rede mit ihm.«
Kaum hatte Miranda den Hörer wieder aufgehängt, trat ihr Vater ins Zimmer. Er trug noch Weste und Anzugshose, hatte aber die Hemdsärmel hochgekrempelt. Er begrüßte Ned mit Handschlag und gab seiner Tochter und den Kindern einen Kuss. Er sieht richtig durchtrainiert aus, dachte Miranda und fragte: »Bist du gerade am Abnehmen?«
»Ich spiele regelmäßig Squash. Wer hat da angerufen?«
»Kit. Er kommt jetzt doch.« Sie beobachtete sein Gesicht, neugierig auf die Reaktion.
»Das glaube ich erst, wenn ich ihn sehe.«
»Ach, Daddy, ein bisschen freuen könntest du dich schon!«
Er tätschelte ihre Hand. »Wir alle mögen Kit, aber du kennst ihn doch. Ich hoffe, er kommt, verlass mich aber nicht
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