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Eisfieber - Roman

Titel: Eisfieber - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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darauf.« Er sagte es in leichtem Ton, doch Miranda entging nicht, dass er sich sehr bemühte, eine innere Verletzung zu überspielen.
    »Er möchte unbedingt im Gästehaus übernachten.«
    »Hat er gesagt, warum?«
    »Nein.«
    »Wahrscheinlich bringt er ein Mädchen mit und will nicht, dass wir alle ihre Lustschreie hören«, bemerkte Tom.
    Es wurde mucksmäuschenstill in der Küche. Miranda war vollkommen baff. Wo hatte der Junge das her? Tom war elf Jahre alt und sprach niemals über Sex. Nach einer kurzen Pause brachen alle in schallendes Gelächter aus. Tom war das offenbar peinlich. »Das hab ich in einem Buch gelesen«, sagte er. Wahrscheinlich wollte er vor Sophie erwachsen erscheinen, dachte Miranda. Noch ist er ein kleiner Junge – aber nicht mehr lange …
    »Wie dem auch sei«, sagte Stanley. »Mir ist das gleichgültig, wer wo schläft, das wisst ihr ja.« Er warf einen nervösen Blick auf seine Armbanduhr. »Ich muss mir die Mittagsnachrichten ansehen.«
    »Das mit dem Laboranten tut mir Leid«, sagte Miranda. »Warum hat er das getan?«
    »Jeder von uns hat ab und zu verrückte Ideen, aber ein einsamer Mensch hat niemanden, der sie ihm ausredet.«
    Die Tür ging auf, und Olga kam herein – und wie immer, wenn sie ein Zimmer betrat, redete sie. »Dieses Wetter ist ja ein Albtraum! Nichts als rutschende und schlitternde Menschen! Ist das Wein, was ihr da trinkt? Gebt mir auch einen Schluck, bevor ich in die Luft gehe! Nein, Nellie, bitte nicht schnüffeln, das gilt in der menschlichen Gesellschaft als vulgär. Hallo, Daddy, wie geht’s dir?«
    » Nella merde «, antwortete Stanley.
    Miranda kannte den Ausdruck; er stammte von ihrer Mutter und bedeutete so viel wie »beschissen«. Mamma Marta hatte sich der frommen Illusion hingegeben, dass ihre Kinder italienische Flüche nicht verstanden.
    »Ich hab von dem Typ gehört, der da gestorben ist. Ist das so schlimm für dich?«
    »Das kann ich dir sagen, sobald wir die Nachrichten gesehen haben.«
    Hinter Olga betrat ihr Ehemann Hugo die Küche, ein kleiner Mann mit lausbübischem Charme. Als er Miranda küsste, verharrten seine Lippen eine Sekunde zu lang auf ihrer Wange.
    »Wo soll Hugo das Gepäck hinbringen?«, fragte Olga.
    »Nach oben«, sagte Miranda.
    »Das Gästehaus hast offenbar du dir unter den Nagel gerissen, was?«
    »Nein, da übernachtet Kit.«
    »Also, ich bitte dich!«, protestierte Olga. »Das große Doppelbett, das schöne Bad und die Kitchenette – alles für eine Person, während wir uns zu viert das enge alte Bad da oben teilen müssen?«
    »Er hat ausdrücklich darum gebeten.«
    »Na und? Dann bitte ich eben auch ausdrücklich darum.«
    Miranda begann ihre Schwester auf die Nerven zu gehen. »Um Himmels willen, Olga, so denk doch abwechslungshalber ein einziges Mal nicht nur an dich selbst! Du weißt doch, dass Kit seit … seit dem Theater damals nicht mehr hier gewesen ist. Mir liegt sehr daran, dass er sich bei uns wohl fühlt.«
    »Dann bekommt er also das beste Schlafzimmer, weil er Daddy bestohlen hat – ist das deine Logik?«
    »Aus dir spricht mal wieder die Anwältin. Spar dir das für deine gebildeten Freunde.«
    »Schluss jetzt, ihr beiden«, sagte ihr Vater in einem Tonfall, den sie noch aus ihrer Kinderzeit kannten. »In diesem Fall muss ich Olga Recht geben. Es ist egoistisch von Kit, das ganze Gästehaus für sich zu beanspruchen. Miranda und Ned können dort schlafen.«
    »Dann bekommt also keiner, was er will«, erwiderte Olga.
    Miranda seufzte. Warum konnte Olga ihr Gezänk nicht einstellen? Sie kannten doch ihren Vater. Normalerweise bekam man von ihm alles, was man wollte, doch wenn er einmal nein gesagt hatte, dann war das endgültig. Stanley war vielleicht nachgiebig, aber zwingen ließ er sich zu gar nichts.
    »Ihr sollt doch nicht dauernd streiten, ich bring’s euch schon noch bei«, sagte er.
    »Nein, das hilft nichts. Seit dreißig Jahren sprichst du diese salomonischen Urteile, und wir haben bis heute nichts dazugelernt.«
    Stanley lächelte. »Da hast du Recht! Ich glaube, meine Einstellung zur Kindererziehung war von Beginn an grundfalsch. Soll ich noch mal von vorne anfangen?«
    »Zu spät, zu spät.«
    »Gott sei Dank!«
    Hoffentlich ist Kit nicht so verärgert, dass er auf dem Fuß kehrtmacht und gleich wieder davonfährt, dachte Miranda.
    Der Auftritt von Caroline und Craig, den Kindern von Hugo und Olga, beendete die Auseinandersetzung.
    Die siebzehnjährige Caroline trug einen Käfig mit

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