Eisige Naehe
hat es auch beim zweiten Mal geschafft, sie war eine bewundernswert starke Frau, wie ich nur zwei weitere kenne. Ihr Tod wird auch dein Tod sein.« In Roberts Augen stand nun das nackte Grauen, seine Hände waren nach wie vor hinter dem Rücken mit Handschellen gefesselt. Langsam robbte er sich zur Wand hin und schob sich allmählich nach oben. Als er stand, packte ihn Schmidt am Oberarm und stellte ihn in die Mitte des Raumes.
»Ungefähr hier hat Svenja gestanden. Richtig?« »Das wagst du nicht! Damit kommst du nicht durch!«, stieß Robert mit heiserer Stimme hervor. »Du wiederholst dich. Ich komme seit fünfundzwanzig Jahren mit allem durch, und weißt du auch, warum? Weil ich genau wie du Protektion von ganz, ganz oben genieße. Das ist aber auch das Einzige, was wir beide gemeinsam haben. Nun, auch das wird sich womöglich schon sehr bald ändern, denn ich weiß, wie bestimmte Personen darauf reagieren, wenn man nicht nach ihren Spielregeln spielt. Nur bin ich dann längst von der Bildfläche verschwunden und werde mein Leben genießen. Niemand wird mich je finden, weil es nur noch Hans Schmidt, aber keinen Pierre Doux oder eine andere meiner Identitäten mehr geben wird.«
»Sie kriegen dich, verlass dich drauf«, spie ihm Robert entgegen.
Kaum hatte das letzte Wort seinen Mund verlassen, krachte ihm der Gürtel mit lautem Knall und den Nieten voran auf den Rücken. Er schrie vor Schmerzen auf, doch Schmidt peitschte erbarmungslos immer weiter auf ihn ein, bis er sich nicht mehr auf den Beinen halten konnte. Er schrie, jammerte, wimmerte, flehte um Gnade, doch Schmidt ging nicht darauf ein und löste schließlich ungerührt die Handschellen, Robert wälzte sich auf dem Marmorboden, Haut hing in Fetzen an Armen und Oberkörper herunter. Wie bei Svenja.
»Sie kriegen mich nicht«, sagte Schmidt gelassen und stand breitbeinig über Robert. »Na, wie fühlt sich das an, wenn dieser brennende Schmerz durch den ganzen Körper zieht und man weiß, man wird diesen Schmerz nie wieder los? Wie ist das?«
»Bitte«, kam es kaum hörbar über Roberts Lippen, »bitte, hör auf, ich kann nicht mehr.«
»Hast du bei Svenja aufgehört? Ich kann mich nicht erinnern. Ganz im Gegenteil, du hast weitergemacht, ziemlich genau zehn Minuten hast du sie mit dem Gürtel ausgepeitscht, bis sie nur noch ein blutiger Klumpen Fleisch war. So wie du jetzt. Ich habe auf die Uhr gesehen, das eben waren auch zehn Minuten, die dir wie eine Ewigkeit vorgekommen sein müssen. Ich schlage dir nun einen Deal vor, was normalerweise nicht meine Art ist, doch heute will ich eine Ausnahme machen: Wenn du es schaffst, aufzustehen und dich gegen mich zu wehren, lasse ich dich am Leben. Du hast mein Wort darauf«, sagte Schmidt mit maliziösem Lächeln. Robert antwortete nichts darauf, er versuchte aufzustehen, doch er hatte keine Kraft mehr. Er wollte wie gestern Svenja zur Wand kriechen und sich hochziehen, aber auch das gelang ihm nicht. Wie Svenja blieb er erschöpft liegen, das Gesicht leicht zur Seite gedreht, die Arme nach vorne gestreckt, die Hände zitterten.
»Siehst du, jetzt weißt du, wie Svenja sich gefühlt haben muss. Und sie war ja beileibe nicht die Erste und Einzige, da waren noch viel mehr Mädchen und Frauen, die du kaltblütig umgebracht hast...«
»Lass mich leben, bitte«, flüsterte Robert mit rauher Stimme und hob ganz leicht den Arm, der jedoch sofort wieder auf den Marmor klatschte. »Lass mich leben.« Ohne etwas zu erwidern, nahm Schmidt ein Messer in die Hand und beugte sich zu Robert hinunter. Er legte seinen Mund an dessen Ohr und sagte: »Siehst du das Messer in meiner Hand? Es ist vorbei. Fahr zur Hölle!«
Er packte Robert von hinten bei der Stirn, riss den Kopf hoch und machte einen langen Schnitt über den Hals, trat sofort danach ein paar Schritte zurück und betrachtete seine Kleidung, doch es war kein Blut darauf zu sehen. Blut floss über den Boden, aber heute war niemand da, um ihn zu reinigen. Schmidt warf einen letzten Blick auf Robert, dessen Augen wie bei Svenja weit offenstanden, als wollte er sich bis zum letzten Augenblick nicht dem Tod ergeben. Aber der Tod ließ sich nicht besiegen. Zum Abschluss vollzog er sein Ritual. Danach löschte er das Licht und ging nach unten, lehnte die Haustür an und ging zu seinem Auto. Auf der Rückfahrt hörte er leise »La Mer« von Debussy und dachte an Maria, die er trotz der späten Stunde noch anrufen würde. Und er hatte noch einen anderen Anruf zu
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