Eisiger Dienstag: Thriller - Ein neuer Fall für Frieda Klein 2 (German Edition)
sie eine Menge Leute.«
Inzwischen hatte sich ein junges Mädchen zu ihm gesellt, dessen leuchtend gelbe Zöpfe beim Tanzen wild schwangen.
»Wohin ist sie verschwunden?«, fragte Tessa.
»Eben noch hat sie sich angeregt mit Sasha und einem Mann mit hochhackigen Stiefeln und einem Diadem im Haar unterhalten, deswegen wollte ich mal kurz schauen, wie es dir geht. Sie ist bestimmt gleich wieder da.«
»Alles in Ordnung?«
»Sogar sehr in Ordnung.«
»Harry«, sagte sie mit warnendem Unterton.
»Ich amüsiere mich doch nur ein bisschen.«
Frieda versuchte von der Party zu verschwinden, ohne dass jemand es mitbekam. So machte sie das immer. Sie hasste das Ritual der Verabschiedung, das Herumstehen an der Tür. Nachdem sie oben ihren Mantel geholt hatte, sprach Josef sie auf der Treppe umständlich an.
»Frieda«, begann er, brach aber gleich wieder ab. »Jetzt habe ich es vergessen … nein, ach ja, ich bin bei Mary Orton fertig, und sie hat mir etwas gegeben …«
»Wir beide unterhalten uns«, fiel Frieda ihm ins Wort, »wenn du wieder nüchtern bist. Was, wenn du wegen eurer Schlägerei mit dem Fotografen verhaftet worden wärst?«
»Ich glaube aber, es könnte wichtig sein …«
»Was, wenn er einen Journalisten dabei gehabt hätte? Dann hätte Karlsson nicht seine Beziehungen spielen lassen können, und du wärst jetzt wieder daheim in der Ukraine.«
Josef stand da wie ein begossener Pudel. »Frieda …«
»Nein«, sagte sie, »ich habe es eilig.«
Dabei war es erst halb zehn. Sie fuhr mit der U-Bahn von Clapham North bis Archway. Von dort ging sie nach Highgate Hill hinauf, vorbei an der steinernen Katze, die wohlbehütet hinter ihrem Schutzgitter saß. Frieda war froh, dass sie nur Wasser getrunken hatte. Sie brauchte jetzt einen klaren Kopf. Als sie den Waterlow Park erreichte, blieb sie einen Moment stehen und spähte durch die abgeschlossenen Tore. Die Wolken hatten sich verzogen, und helles Mondlicht fiel auf das Gras, das noch regennass glänzte. Abrupt wandte Frieda den Kopf. Hatte sie etwas gehört? Einen Schritt? Ein Husten? Oder hatte sie einen Blick gespürt? Auf der anderen Straßenseite hing ein Gruppe Teenager herum. Ein Paar schlenderte Arm in Arm an ihr vorbei.
Bis zur Hochzeitsfeier brauchte sie nur noch eine knappe Minute. Im Hauptraum war das Essen bereits vorbei, die Gäste standen in Grüppchen beisammen. Die Luft surrte von ihren Gesprächen, und es lief Musik. Einige Leute waren auf der Tanzfläche, unter anderem eine Schar Kinder, die sich kichernd an den Händen hielten und die Beine in die Luft warfen oder einander anrempelten. Am hinteren Ende des Saals stand ein Tisch mit Blumenschmuck und den Resten des Festmahls. Friedas Blick fiel auf eine hochgewachsene, dunkelhaarige Frau in einem langen elfenbeinfarbenen Kleid, die Blüten im Haar hatte und sich in den Armen eines Mannes mit rötlich-braunem Haar langsam über die Tanzfläche bewegte. Bestimmt die Braut, dachte sie.
Unbemerkt stand sie da und sah zu. Sie nahm die Szene wahr wie einen alten Film, körnig und leicht verschwommen. Ein Mann eilte mit einem großen Tablett voller Champagnergläser vorüber. Als er Frieda bemerkte, blieb er stehen und bot ihr ein Glas an, doch sie schüttelte den Kopf. Sie konnte immer noch kehrtmachen und gehen. Es war, als würde ihr Leben vor ihren Augen einen Moment lang in einem Schwebezustand verharren. Eine einzige Bewegung, und alles würde sich verändern.
Da entdeckte sie ihn. Er stand am hinteren Ende des Raums über eine ältere Frau gebeugt, die sich angeregt mit ihm unterhielt. Er trug einen dunklen Anzug und ein weißes Hemd, bei dem der oberste Knopf offen stand. Sie fand, dass er schmäler aussah und vielleicht auch ein bisschen älter, konnte es aber nicht mit Sicherheit sagen, weil er zu weit entfernt war und der Raum wie ein Jahr zwischen ihnen lag.
Frieda legte ihren Mantel und ihren roten Schal ab und hängte beides über einen in der Nähe stehenden Stuhl. Dann tat sie, was sie immer machte, wenn sie Angst hatte: Sie zog die Schultern zurück, hob das Kinn an und holte einmal tief Luft. Während sie quer über die Tanzfläche auf ihn zusteuerte, kam es ihr vor, als würde sich alles um sie herum verlangsamen: die Tänzer, die Musik, ihr eigener Schritt. Jemand streifte sie und entschuldigte sich. Die Frau im elfenbeinfarbenen Kleid, Sandys jüngere Schwester, tanzte langsam an ihr vorbei. Sie hatte die gleichen Wangenknochen wie er, die gleichen Augen und den
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