Eisiger Dienstag: Thriller - Ein neuer Fall für Frieda Klein 2 (German Edition)
Sie hörte die Worte und spürte die Finger der Stimme, kühl und sanft an ihrer Schläfe. Sie kannte das Gesicht. Die Frau mit den dunklen Augen und der klaren Stimme.
»Du«, sagte Michelle Doyce.
»Ja«, antwortete die Frau, so dass sie wieder ihren frischen Atem riechen konnte, »ich.«
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K arlsson nahm Frieda am Arm, was für ihn eine ungewohnt beschützende Geste war.
»Beide wurden bereits über ihre Rechte aufgeklärt, und die Rechtsanwälte der beiden sind auch schon da. Wie Sie sich vorstellen können, kennt Tessa Welles sich mit ihrer rechtlichen Situation bestens aus.«
»Haben Sie schon mit ihnen gesprochen?«
»Damit wollte ich auf Sie warten.«
»Ich bin gekommen, so schnell ich konnte. Eher hätte ich Michelle nicht allein lassen können.«
»Geht es ihr gut?«
»Für eine Frau, die in der Hölle lebt, geht es ihr gut. Ich habe Jack angerufen. Sie kennt und mag ihn. Er hat auf sie keine bedrohliche Wirkung. Ganz im Gegenteil, sie findet seine Haarfarbe beruhigend. Außerdem habe ich vor, Andrew Berryman hinzuzuziehen, einen Arzt, der bereits über Michelle Bescheid weiß. Wir müssen ihr helfen. Sie ist ein leidendes menschliches Wesen, keine medizinische Kuriosität. Wir dürfen sie in ihrem Elend und ihrer Verwirrung und Angst nicht allein lassen. Zumindest das sind wir ihr schuldig.«
Karlsson musterte sie besorgt. »Geht es Ihnen nicht gut?«
»Ich habe sie als Köder benutzt«, erklärte Frieda. »Das scheint meine neue Spezialität zu sein, und ich missbrauche dazu ausgerechnet Menschen, deren Wohl mir besonders am Herzen liegen sollte. Michelle war bei dieser Aktion der Wurm am Haken – und ich habe ihr das angetan.«
»Immerhin haben Sie den Fisch gefangen.«
»Erste Regel: Vor Schaden und Unrecht werde ich sie bewahren«, flüsterte Frieda.
»Wie bitte?«
»Das ist der Eid, an den man sich als Arzt eigentlich gebunden fühlen sollte.«
Tessa saß in dem Verhörraum, die Hände vor sich auf dem Tisch gefaltet. Sie machte einen gefassten Eindruck, auch wenn Frieda nicht entging, dass sie dunkle Schatten unter den Augen hatte und sich von Zeit zu Zeit über die Lippen leckte. Der Mann, der neben ihr saß, war Ende fünfzig. Er hatte ein schmales, klug wirkendes Gesicht und leuchtende, aufmerksame Augen.
Yvette und Karlsson setzten sich Tessa gegenüber. Frieda nahm seitlich von ihnen Platz.
Tessa wandte den Kopf und starrte sie an. Der Anflug eines Lächelns umspielte ihre Lippen, als wüsste sie etwas, das Frieda nicht wusste.
»Miss Welles«, begann Karlsson höflich. »Sie sind sich über Ihre Rechte im Klaren und wissen, dass alles, was Sie sagen, aufgezeichnet wird.«
»Ja.«
»Sie wurden verhaftet, weil Sie unter dem Verdacht des versuchten Mordes an Michelle Doyce stehen. Wir werden Sie außerdem zu den Morden an Robert Poole und Janet Ferris befragen. Ist Ihnen das klar?«
»Ja«, antwortete Tessa in unbeteiligtem Ton.
»Ihr Bruder befindet sich im Raum nebenan. Mit ihm werden wir ebenfalls sprechen. Wir wollten nur vorher Ihre Version der Geschichte hören.«
Tessa blickte ihn an, sagte aber nichts.
»Gut. Vielleicht sollten Sie als Erstes unsere Version Ihrer Geschichte hören.« Karlsson griff nach einem Ordner und blätterte ihn bedächtig durch, bis sich alle der Stille im Raum so richtig bewusst waren. Obwohl sich Tessas Gesichtsmuskeln sichtlich verspannten, blieb sie reglos sitzen.
»Robert Poole«, begann Karlsson schließlich. »Sie lernten ihn im November 2009 kennen, als er mit Mary Orton, die ihr Testament ändern lassen wollte, in Ihre Kanzlei kam. Sie zogen es damals vor, die Änderung nicht durchzuführen, weil Sie seinen Motiven misstrauten.«
Tessa starrte geradeaus, ohne Karlsson anzusehen.
»Sie haben ihn schnell durchschaut«, warf Frieda ein, »was ich sehr beeindruckend finde.«
»Aber bald darauf haben Sie ihn wiedergesehen«, fuhr Karlsson fort. »Wie ging es dann weiter?«
»Ich habe dazu nichts zu sagen«, erklärte Tessa.
»Das dürfte keinen großen Unterschied machen.« Karlsson wandte sich an Frieda. »Wie ging es Ihrer Meinung nach weiter?«
»Wir sind nicht hier, um uns irgendwelche Spekulationen anzuhören«, meldete sich der Anwalt zu Wort. »Falls Sie Fragen an Miss Welles haben, dann stellen Sie sie bitte.«
»Ich fordere Frau Doktor Klein hiermit auf, Ihre Mandantin mit einem Szenario zu konfrontieren. Dabei handelt es sich durchaus um eine Art Frage. Ihre Mandantin kann anschließend Ja oder Nein dazu sagen.« Er
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