Eisiger Dienstag: Thriller - Ein neuer Fall für Frieda Klein 2 (German Edition)
sagen«, erklärte sie, »wenn Sie mit Zeugen sprechen.«
»Ich hatte eigentlich gar nicht vor, mit Zeugen zu sprechen«, gab Frieda zurück. »Josef arbeitet in Mary Ortons Haus und hat mich angerufen, weil es ein Problem mit ihren Söhnen gab. Ich war nicht der Meinung, dass es mit dem Fall zu tun hatte.«
Yvette saß auf dem Beifahrersitz, Frieda hinten. Sie kam sich vor wie ein Kind, das von zwei erbosten Erwachsenen abtransportiert wurde.
»Sie können nicht einfach auf eigene Faust ermitteln«, wies Yvette sie erneut zurecht.
Frieda gab ihr keine Antwort. Schließlich kam der Wagen vor einer Reihe von Geschäften zum Stehen. »Soll ich mit reinkommen?«, brach Frieda das Schweigen.
»Wenn Sie wollen«, meinte Yvette achselzuckend.
Die beiden Frauen stiegen aus. Tessa Welles’ Büro war auf den ersten Blick nicht zu sehen. In Nummer zweiundfünfzig befand sich ein Laden, in dem man Fliesen, Vasen, Krüge und Kaffeetassen kaufen konnte. Zweiundfünfzig B entpuppte sich als kleine grüne Tür links davon. Als Long klingelte, wurde ihnen per Türöffner aufgemacht. Die beiden stiegen eine schmale Treppe hinauf. Oben befand sich ein Vorzimmer mit einem Schreibtisch, einem Computer, ordentlich gestapelten Akten und einem Stuhl. Dahinter schwang eine Tür auf, und eine Frau kam heraus. Frieda schätzte sie auf Ende dreißig. Sie hatte volles, langes, rotblondes Haar, das sie locker zurückgesteckt hatte, als wollte sie es einfach nur aus dem Weg haben, und ein bleiches, völlig ungeschminktes Gesicht mit blassen Sommersprossen auf dem Nasenrücken. Der Blick ihrer graublauen Augen wirkte recht wach. Sie trug ein anthrazitgraues Etuikleid, dicke, gemusterte Strümpfe und Stiefeletten. Sie begrüßte die beiden Frauen mit einem leicht erschöpften Lächeln. »Ich bin Tessa Welles«, stellte sie sich vor. »Möchten Sie nicht hereinkommen? Ich habe gerade eine Kanne Kaffee gemacht, falls Sie eine Tasse wollen.«
Sie führte sie in das wesentlich unordentlichere Hauptbüro, dessen Fenster auf die Straße hinausging. Auf ihrem Schreibtisch stapelten sich die Akten, und in den Regalen standen weitere Akten in dicken Ordnern und reihenweise juristische Fachbücher. An den Wänden hingen Zertifikate und Fotos: Tessa Welles mit einer Gruppe von Leuten im Restaurant, Tessa Welles an irgendeinem Strand, Tessa Welles bei einer Radtour, umringt von anderen Radfahrern und im Hintergrund Berge. Außerdem entdeckte Frieda zwei Gemälde, die sie sich selbst auch an die Wand gehängt hätte. Während Tessa ihnen Kaffee einschenkte, stellte Yvette erst sich selbst vor und dann Frieda als »zivile Assistentin«.
»Arbeiten Sie allein?«, fragte Yvette, nachdem sie einen Schluck von ihrem Kaffee genommen hatte.
»Ich habe auch eine Assistentin, Jenny, die aber nur halbtags kommt. Heute ist sie nicht da.«
»Misses Welles«, begann Yvette.
»Miss.«
»Verzeihung, Miss. Mitte November vergangenen Jahres lernten Sie eine Frau namens Mary Orton und einen Mann namens Robert Poole kennen. Es ging um eine Testamentsänderung. Erinnern Sie sich?«
Der Anflug eines Lächelns huschte über Tessas Gesicht. »Ja, ich erinnere mich.«
»Bitte entschuldigen Sie meine Neugier«, fuhr Yvette fort, »aber was ist daran lustig?«
»Gar nichts«, antwortete Tessa, »es ist eigentlich gar nicht lustig. Geht es hier um einen Fall von Betrug?«
»Wie kommen Sie darauf?«
»Ich weiß nicht. Mir ist hauptsächlich in Erinnerung geblieben, dass ich bei dem Mann ein ungutes Gefühl hatte. Irgendwie kam er mir ein bisschen vor wie ein Windhund. Was ist passiert? Ermitteln Sie tatsächlich wegen Betrugs?«
»Nein, wegen Mordes«, erwiderte Yvette. »Jemand hat ihn ermordet.«
Tessa starrte sie geschockt an. »Ach, du lieber Himmel! Es tut mir leid, ich hatte ja keine Ahnung, ich …«
»Ein Windhund, haben Sie gesagt.«
»Nein, nein.« Tessa hob abwehrend die Hände. »Es war nicht meine Absicht, ihn schlechtzumachen. Eigentlich weiß ich gar nichts über ihn.«
»Wie war das dann gemeint?«
Tessa holte tief Luft. »Wenn jemand ein Testament zugunsten einer Person ändert, die kein Familienmitglied ist, dann lässt das bei mir immer die Alarmglocken schrillen.«
»Wie haben Sie reagiert?«
Sie runzelte die Stirn, als müsste sie erst ihr Gedächtnis durchforsten. »Ich glaube, ich habe es einfach nur mit den beiden durchgesprochen … das heißt, vor allem mit der Frau. Ich fragte sie nach ihren Beweggründen: Warum sie das Testament
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