Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eisiges Blut

Eisiges Blut

Titel: Eisiges Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Masello
Vom Netzwerk:
und rang nicht länger ihre Hände. »Es war nach der Schlacht«, sagte sie. »Da habe ich das Fieber bekommen.«
    Michael hätte am liebsten sein Aufnahmegerät herausgeholt, doch er wollte nichts tun, was sie verwirren oder die zerbrechliche Vertraulichkeit zerstören könnte.
    »Sinclair, Lieutenant Sinclair Copley vom 17 . Lancer-Regiment, wurde bei einem Kavallerieangriff verwundet. Während ich ihn pflegte, habe ich mich selbst angesteckt.«
    Ihr Blick schien in die Ferne zu schweifen, und Michael dachte, dass auf jemanden, der nie damit in Berührung gekommen ist, selbst das schwächste Beruhigungsmittel eine außergewöhnliche Wirkung haben musste.
    »Aber er hatte Glück, wirklich. Beinahe alle seine Kameraden, einschließlich seines besten Freundes, Captain Rutherford, wurden getötet.« Sie seufzte, und die Augen fielen ihr zu. »Soweit ich gehört habe, wurde die Leichte Brigade vollkommen vernichtet.«
    Michael fiel fast vom Stuhl. Die Leichte Brigade? Sprach sie von der berühmten Attacke der Leichten Brigade, die von Lord Alfred Tennyson in seinem Gedicht verewigt worden war? Hatte sie womöglich aus erster Hand davon erfahren?
    Wollte sie andeuten, dass ihr Begleiter aus dem Eis, dieser Lieutenant Copley, ein Überlebender dieses Angriffs war? Was immer das hier wurde, eine nicht ausufernde Phantasie oder ein historischer Augenzeugenbericht von unvorstellbarer Authentizität, er musste es mitschneiden.
    Er griff in den Rucksack und holte geschickt seinen kleinen Rekorder heraus. »Wenn Sie nichts dagegen haben«, sagte er, »benutze ich dieses Gerät, um unsere Unterhaltung aufzunehmen.« Er drückte auf den Aufnahmeknopf.
    Versonnen betrachtete Eleanor den Apparat. Das kleine rote Licht leuchtete, um anzuzeigen, dass es eingeschaltet war, aber es schien sie nicht zu interessieren. Michael war sich nicht sicher, ob sie seine Worte verstanden hatte und wirklich begriff, welchem Zweck diese Maschine diente. Er hatte den Eindruck, dass so vieles neu für sie war, angefangen mit einer schwarzen Ärztin bis hin zu elektrischem Licht, dass sie immer nur gewisse Dinge, eins zur Zeit, verarbeitete.
    »Man hatte ihnen gesagt, sie sollten die russischen Kanonen angreifen«, sagte sie, »und dann wurden sie vernichtend geschlagen. Es gab Artilleriestellungen in den Hügeln, auf jeder Seite vom Tal. Die Verluste waren überwältigend. Ich habe Tag und Nacht gearbeitet, ebenso wie meine Freundin Moira und alle anderen Krankenschwestern, aber wir konnten nicht mithalten. Es gab zu viele Schlachten und zu viele verwundete und sterbende Männer. Wir konnten nicht genug tun.«
    Jetzt war sie wieder dort und durchlebte die Zeit noch einmal. Er konnte es an ihrem Blick erkennen.
    »Ich bin sicher, dass Sie alles getan haben, was in Ihrer Macht stand, um zu helfen.«
    Ein reuevoller Ausdruck erschien auf ihrem Gesicht. »Ich tat Dinge, die meine Fähigkeiten überstiegen«, sagte sie geradeheraus. Ihr Blick trübte sich bei der Erinnerung an Ereignisse, die sie offenbar noch immer quälten. »Wir alle waren gezwungen, Dinge zu tun, auf die wir nicht vorbereitet sein konnten.«
    Und dann riss der Strom der Erinnerung sie mit sich fort.
     
    Es war in der Nacht gewesen, nachdem sie Sinclair gefunden hatte – daran erinnerte sie sich genau –, und sie hatte sich heimlich verschiedene Dinge angeeignet, einschließlich eines Fläschchens Morphium. Letzteres war wertvoller als Gold, und dementsprechend hatte Miss Nightingale ein wachsames Auge auf die Vorräte. Nach ihrer letzten Runde, als Eleanor eigentlich hätte im Schwesternquartier sein und schlafen sollen, schlich sie mit einer türkischen Lampe die gewundene Treppe hinunter zurück zu den Sälen der Fieberkranken. Mehrere Soldaten, die sie für Miss Nightingale hielten, riefen ihr flüsternd Segenswünsche nach.
    »Das war nach welcher Schlacht?«, fragte Michael sie sanft und seine Stimme schreckte sie aus ihrem Tagtraum auf.
    »Balaklawa.«
    »In welchem Jahr war das?«
    » 1854 , Ende Oktober. Das Lazarett war so überfüllt, dass die Männer auf Stroh liegen mussten, Schulter an Schulter.«
    Der Highlander, so erinnerte sie sich, derjenige, der sie in seinem Fieberwahn gewarnt hatte, Sinclair sei bösartig, war dicht neben ihn gebettet worden. Wenn er auch zu sehr litt, hatte sie beschlossen, würde sie den Inhalt des Fläschchens zwischen ihnen aufteilen. Doch als sie den Krankensaal betrat, war klar, dass es nicht nötig war. Zwei Krankenwärter mit

Weitere Kostenlose Bücher