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Eisiges Blut

Eisiges Blut

Titel: Eisiges Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Masello
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kein Lord, noch nicht, aber er wusste, dass Mme Eugenie ihre Gäste gerne auf diese Weise umschmeichelte. »Das ist nicht fein, und MrFitzroy hat gut für sein Privileg gezahlt.«
    »Was für ein Privileg?«
    Mme Eugenie legte den Kopf zurück, als wunderte sie sich über seine Naivität. »Diese junge Dame ist eine Blüte, die noch nie gepflückt wurde.«
    Eine Jungfrau? Selbst in seinem berauschten Zustand wusste Sinclair, dass das der älteste Trick in diesem Gewerbe war. Jungfrauen erzielten Höchstpreise, nicht nur, weil sie der Definition nach absolut rein waren. Ihnen wurde auch nachgesagt, dass sie einige Liebeskrankheiten heilten, wenn man sie nur häufig genug »benutzte«. Das war natürlich alles albernes Geschwätz, und normalerweise hätte Sinclair die ganze Angelegenheit schon wieder vergessen, schließlich ging ihn die Sache nichts an, wäre da nicht der verzweifelte Blick des Mädchens gewesen. Entweder war sie so eine begnadete Schauspielerin, dass sie auf die Bühne in Covent Garden gehörte, oder ihre Angst war echt gewesen. Es gab kein Gesetz gegen Prostitution, und mit zwölf Jahren galten die Mädchen als mündig. Mädchen in diesem zarten Alter wurden jeden Tag, und vollkommen legal, verdorben. Fitzroy hatte vermutlich fünfundzwanzig oder dreißig Pfund für dieses Sonderrecht gezahlt.
    »Kommen Sie«, drängte Rutherford ihn. »In ein paar Jahren wird dieser fette Bastard Ihr Nachbar sein. Fangen Sie jetzt keinen Streit mit ihm an.«
    Mme Eugenie winkte einer der anderen Frauen zu, deren hellrotes Haar über cremeweiße nackte Schultern fiel. Sie zog Sinclair gekonnt von der Ottomane und auf eines der kleinen Sofas unter dem Bild einer vor einem Sartyr fliehenden Nymphe. Der Diener erschien mit dem Gin.
    Frenchie hatte Fitzroys Platz am Klavier eingenommen und
spielte, so gut es sein angetrunkener Zustand zuließ, eine traurige Version eines Stückes von Mozart.
    Die Rothaarige stellte sich als Marybeth vor und versuchte, Sinclair in ein Gespräch zu verwickeln. Sie stellte Fragen über sein Regiment und wohin sie wohl entsandt würden, ehe sie ihre tiefe Sorge um seine Sicherheit zum Ausdruck brachte, was in Sinclairs Ohren ein wenig altklug klang. Aber die ganze Zeit musste Sinclair an das Mädchen mit der Gestalt eines Füllens und dem ängstlichen Blick denken, das hinter John-O mit den Goldzähnen die Treppe hinaufgezerrt worden war.
    Sinclair hatte eine Schwester gehabt, die in diesem Alter an Auszehrung gestorben war.
    »Das reicht!«, rief einer der anderen Männer Le Maitre zu. »Spielen Sie uns etwas, zu dem man singen kann. Wenn ich das Lyzeum hätte besuchen wollen, hätte ich meine Frau mitgebracht.«
    Die ganze Runde lachte, und es wurde applaudiert. Frenchie beugte sich der Laune des Publikums und begann mit einer saloppen Wiedergabe von
Mein Herz ist im Hochland geblieben
. Er hatte das Lied gerade beendet und ein neues begonnen, das von The Strand handelte, als Sinclair einen Schrei von oben hörte.
    Alle anderen überhörten es geflissentlich, obwohl Frenchie eine Sekunde innehielt. Marybeth gab sich plötzlich große Mühe, Sinclairs Hemdkragen zu richten. Ein älterer Gentleman mit einer matronenhaften Brünetten im Arm erklomm langsam die Treppe. Als das Lied zu Ende war, lauschte Sinclair noch angestrengter, und obwohl ein ganzes Stockwerk zwischen der Suite de Dieux und dem Salon lag, hörte er den erstickten Schrei und ein Poltern, als würde etwas zu Boden fallen.
    »Das
table d’hôte
wird soeben aufgetragen«, verkündete Mme Eugenie und klatschte in die Hände. »Bitte, Gentlemen, genießen Sie
le canard aux cerises
und Austern.«
    Mehrere Gäste erhoben sich, unter ihnen auch Rutherford,
und machten sich auf den Weg zum Buffet im Nebenraum. Doch Sinclair entschuldigte sich höflich und ging zur Treppe. Wie der Zufall es wollte, begrüßte John-O gerade ein Trio angeheiterter Herren und nahm ihnen die Mäntel und Hüte ab, so dass Sinclair unbemerkt die Treppe hinauf gelangte.
    Die Suite de Dieux lag im zweiten Stock, genau über der Wagenauffahrt. Sinclair hatte sie selbst bereits ein- oder zweimal benutzt und wusste, dass die Tür, wie alle Türen im Salon d’Aphrodite, nicht abgeschlossen war, solange das Zimmer besetzt war. Schon vor langer Zeit hatte Mme Eugenie festgestellt, dass gewisse Zwänge ihres Gewerbes es erforderlich machten, dass John-O oder sie jederzeit zu allen Zimmern Zugang hatten.
    Sinclair achtete darauf, nur auf die Teppiche zu treten,

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