Eisiges Feuer (German Edition)
verwandelt.
„Gewiss. Nun, niemand hat damit gerechnet, dass sich Spione bis ans Schloss heranwagen würden. Die Soldaten erkannten meine Mutter und töteten sie, um ihrem Herrn zu gefallen. Wenn sie mich gefunden hätten, wäre es mir ebenso ergangen.“
„Oder sie hätten dich verschleppt, um deinen Vater zu erpressen.“
„Vielleicht, ja. Nun, ich weiß nicht, ob Roban gestanden hatte, dass wir gemeinsam weggelaufen sind. Ich weiß nur, was man mir später sagte, eben dass meine Mutter allein in den Wald ging, um nach uns zu suchen und dabei gleichzeitig ein paar Heilkräuter zu sammeln. Wären wir im Schloss geblieben, würde sie wahrscheinlich noch leben.“
Lys seufzte, um die tief sitzende Trauer und Schuld zu unterdrücken.
„Ich fühle mich schuldig deswegen, aber nicht halb so sehr wie Roban. Er hatte mich überredet wegzulaufen. Er hatte mich zurückgelassen. Wäre er bei mir geblieben, hätte er vielleicht Hilfe holen oder ein Ablenkungsmanöver versuchen können, um Mutter zu retten, während ich einfach nur erstarrt dastand. Er war nicht da, um zu helfen. Und um ein Haar wäre auch ich von den Rombrugern geschnappt worden. Es frisst ihn auf, diese Schuld, bis heute. Seit diesem Tag hat er unermüdlich geübt, bis er einer der besten Reiter und Krieger Onurs wurde. Mit noch nicht einmal sechzehn Jahren zog er mit gegen die Rombruger ins Feld und lehrte seine Feinde das Fürchten. Vater war stolz auf ihn. Ich hingegen …“
„Du warst noch ein Kind, Lys.“
„Das hielt er mir auch nicht vor. Er versuchte aus mir einen ebenso starken Krieger zu formen wie Roban, einen stolzen, echten Corlin , doch es dauerte sehr lange, bis ich überhaupt wieder bereit war, eine Waffe anzurühren. Mein Vater hatte Angst, ich würde zum Schwächling werden, zum hilflosen Opfer wie meine Mutter, bis er irgendwann überzeugt war, ich sei genau das. Ein Schwächling, eine Enttäuschung.“ Lys schüttelte traurig den Kopf, kaute einmal mehr unbewusst auf seinen Lippen herum. „Im Laufe der kommenden Jahre wurde Roban immer mehr zum Beschützer für mich. Er schirmte mich vor Vaters Zorn ab, verhinderte, dass ich mit in den Krieg ziehen musste, als ich eigentlich alt genug dafür war. Es wurde noch schlimmer, als er gefangen genommen worden war und zurückkehrte. Irgendwann wurde es unerträglich: War ich krank, geriet er außer sich. Schlug ich mir ein Knie auf, machte er mir Vorhaltungen. Er hatte unerträgliche Angst, dass ich einfach sterben könnte und es aus irgendeinem Grund seine Schuld wäre. Aber je mehr er mich beschützte, desto mehr verachtete Vater mich. Natürlich trugen die Diener das alles weiter, bis alle Welt mich für ein jämmerliches Wickelkind hielt.“
„Ihr Götter“, flüsterte Kirian bewegt. „Darum hast du begonnen, deine Ziele nicht direkt anzugreifen, sondern alles von hinten zu erschleichen? Weil es dein offener Trotz war, der dich allein im Wald enden ließ?“
„Das auch, vermutlich. Und dann eben, um zwischen meinem Vater und meinem Bruder bestehen zu können. Seit diesem Tag, Kirian, an dem meine Mutter starb, hasse ich das Intrigenspiel ebenso sehr wie die Standesdünkel, welche Familie nun die bessere ist. Es macht mich nicht besser oder schlechter, einen berühmten Namen zu tragen! Ich will diese verdammte Krone auf meinem Kopf, um es beenden zu können, egal wie.“
„Das ist nahezu unmöglich, Lys. Seit Jahrhunderten pflegt der Hochadel seinen Hass untereinander, ringt um Macht und Ländereien.“
„Es ist möglich. Die Gesetze müssen geändert werden, Schritt für Schritt. Ja, es wäre gefährlich und mühsam, die Adligen wären nicht erfreut, vor allem die Mächtigen nicht. Man müsste ihnen gleichzeitig Rechte zubilligen und Pflichten auferlegen. Gelder fließen lassen, sie beschäftigen, damit sie gar nicht erst merken, dass ihnen etwas genommen wird. Eben das Recht, willkürlich zu morden und Krieg zu führen. Macht zu gewinnen, indem man seine Gegner vernichtet. Es muss lukrativer sein, das eigene Land zu bewirtschaften und sich mit seinen Nachbarn gut zu stellen, nur dann wird sich dauerhaft etwas ändern.“
„Weißt du, wenn irgendein anderer Mann mir von diesem Plan erzählt hätte, würde ich ihn mitleidig von seinen Leiden erlösen“, wisperte Kirian und umarmte ihn besitzergreifend. „Bei dir ist Wahnsinn tatsächlich eine Möglichkeit. Aber Lys, versprich mir, geh es langsamer an.“
Fragend blickte Lys ihn an, es geschah selten, dass Kirian so
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