Eisiges Feuer (German Edition)
beschäftigt waren. Es war Dorian gewesen, der Lys überreden konnte, überhaupt wieder mit dem Waffentraining zu beginnen, obwohl er eigentlich niemals wieder ein Schwert hatte berühren wollen, und nur Dorian hatte verstanden, warum Lys sich überhaupt dagegen gewehrt hatte.
„Ein Schwert zu tragen bedeutet nicht, ein gewissenloser Mörder zu werden. Du bist nicht wie die Rombruger, und du wirst es auch niemals werden. Aber es wird immer Rombruger da draußen geben, egal mit welchem Namen, sie werden Schwerter tragen und dich töten, wenn du dich nicht wehrst. Lerne dich zu verteidigen, dich und jene, die du liebst.“
Diese Worte hatte Lys niemals vergessen, und die Erinnerung an den Tag, an dem Dorian sie gesprochen hatte, war lebendiger denn je. Auch jetzt stand Dorian vor ihm, doch diesmal nicht als Ausbilder, als Freund, als väterlicher Beschützer. Diesmal war er auf der Seite der Feinde.
„Wer ist der Kerl?“ Der Soldat hinter ihm schlug ihm unsanft gegen die Schulter und zwang Lys’ Aufmerksamkeit zurück in die Gegenwart. Er wandte den Kopf und sah, dass Kirian wie wild gegen die Soldaten kämpfte und noch immer frei war. Er hielt seinen Dolch in der Hand, das verräterische Heft mit der Hand bedeckt, und nutzte ihn, um die Angreifer auf Abstand zu halten. Ihre Blicke trafen sich, und Lys verstand sofort – Kirian brauchte einen kurzen Moment für sich.
„LASST IHN LOS!“, brüllte er und stürzte sich mit gesenktem Kopf gegen einen der Männer. Kirian rollte über den Boden, und verbarg, als für einen Herzschlag lang alle auf Lys achteten, den Dolch unter einem Busch. Sofort danach wurde er wieder gepackt und hochgerissen, seine Arme brutal auf den Rücken gedreht. Lys wurde ebenfalls ergriffen, ein harter Schlag traf ihn ins Gesicht.
„Mach das nicht noch mal! Und nun rede, wer ist der Kerl?“, zischte der Soldat wutschnaubend. Er war noch jünger als Lys, ein schlaksiger, blonder Junge, der versuchte, sich einen Schnauzbart wachsen zu lassen – vielleicht, um älter zu wirken. Er holte noch einmal aus, doch diesmal wurde sein Arm abgefangen.
„Schluss, Barat!“, befahl Dorian. „Er ist noch immer ein Fürst, und wenn die Dinge sich nur ein winziges bisschen ändern, auch bald wieder unser Fürst.“ Obwohl er ruhig sprach, sackte der junge Soldat regelrecht in sich zusammen.
„Wer ist Euer Begleiter, Lys?“, wandte sich Dorian nun zu ihm um. Er half Lys aufzustehen, riss sich dann ein Stück Stoff von seinem Hemd und hielt es an Lys’ blutende Oberlippe.
„Ein Söldner, zu meinem Schutz.“
„Er trägt kein rotes Tuch.“
„In meiner Tasche!“, mischte Kirian sich ein. Mittlerweile hatte er sich widerstandslos fesseln lassen und bedachte den blonden Jüngling mit einem Blick, der Drachen hätte töten können.
„Und er ist wirklich nur der Beschützer? Das sah eben aber anders aus!“, höhnte einer der Männer, zuckte aber mit den Schultern, als ein rotes Söldnertuch zum Vorschein kam.
„Er hat mich aus Kirians Fängen befreit und dabei Leib und Leben riskiert. Ich war schwer verletzt nach der Gefangennahme durch den Freiherrn von Hyula und der Folter in den Händen des Sheruk.“ Lys sprach sehr leise, ließ seine Stimme gekonnt brechen, als er die Folter erwähnte. Die Männer blickten betroffen zur Seite, einige fluchten ungehemmt.
„Manchmal, Ihr wisst es, Dorian, ist es völlig unwichtig, welchen Titel wir tragen und welche Mutter uns geboren hat. Lamár hat mir das Leben gerettet und mich hinterher gesund gepflegt. Er ist mein Freund, genauso wie er mein Beschützer ist.“
Niemand antwortete darauf, aber Kirian wurde nun mit verlegenem Respekt behandelt. Falls er etwas gegen seinen neuen Namen einzuwenden hatte, ließ er sich nichts anmerken.
„Wie habt ihr uns gefunden?“, fragte Lys, während er gehorsam loslief, auf die Burg zu.
„Wir haben die gesamte Umgebung schon seit Tagen beobachtet und euch beide gesehen, als ihr herkamt. Sobald ihr euch niedergelassen hattet, haben wir euch umzingelt, in weitem Abstand, damit ihr nicht zu früh etwas merkt. Und nun, junger Herr, folgt mir bitte.“
Als die Soldaten mit ihren beiden Gefangenen außer Sicht waren, näherte sich eine kleine Gruppe bewaffneter Männer der nun verlassenen Mulde. Ein Mann suchte den Boden ab, bis er schließlich neben einem Busch niederkniete und einen auffällig geformten Dolch hervorholte. Lange betrachtete er diese Waffe, die so viel mehr war als nur ein Werkzeug. Dann
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