Eisiges Herz
die Tür, dann drehte sie sich noch einmal um.
»Gott, ich weiß gar nicht, wie ich das bis nächste Woche durchstehen soll.«
»Ach, da fällt mir ein … Tut mir leid, Melanie, ich hätte es Ihnen gleich zu Anfang der Stunde sagen sollen.«
»Was denn?«
»Nächste Woche bin ich leider nicht da.«
32
N ach dem Mittagessen nahm Cardinal den Abschiedsbrief mit dem Daumenabdruck mit aufs Revier, um mit Paul Arsenault darüber zu sprechen. Er war noch nicht so weit, sich wieder offiziell zum Dienst zurückzumelden, denn auf dem Revier würde man ihn sofort mit Arbeit überhäufen, und dann würde es schwierig, wenn nicht unmöglich werden, sich mit Dingen zu beschäftigen, die nicht direkt mit Polizeiarbeit zu tun hatten.
Arsenault trank einen Schluck aus einer Henkeltasse mit der Flagge von Acadia über seinem Nachnamen. »Soll ich das für Sie überprüfen?«
»Sie wissen ja, dass das eigentlich nicht korrekt ist«, sagte Cardinal. »Offiziell habe ich gar keinen Fall.«
»Da haben Sie recht, John. Es ist nicht korrekt.«
Dass Arsenault ihn beim Vornamen nannte, war ein schlechtes Zeichen. Es bedeutete Mitleid oder Schlimmeres. Er hatte garantiert von der Verhaftung Roger Felts gehört. Er stellte seine patriotische Henkeltasse ab, stand von seinem Schreibtisch auf und schloss die Tür der Abteilung Spurensicherung.
»Hören Sie, John. Wenn Sie mit dem Abschiedsbrief Ihrer Frau zu mir kommen und mich bitten, die Fingerabdrücke zu überprüfen, möchte ich Ihnen helfen. Natürlich möchte ich Ihnen helfen. Und ich werde es tun, wenn Sie es wirklich wollen. Aber der Gerichtsmediziner hat sich den Fall vorgenommen. Delorme und auch der Pathologe, wir alle haben uns mit dem Fall beschäftigt. Es gibt einfach keinen Grund zu der Annahme, dass irgendein Dritter seine Hand im Spiel hatte.«
»Dann lachen Sie mich halt aus. Tun Sie es aus Mitleid, das ist mir egal. Hauptsache, Sie machen es. Ich will wissen, wer außer Catherine diesen Abschiedsbrief angefasst hat.«
»Aber der Brief ist echt, John, das haben Sie selbst bestätigt.«
»Dann dürften sich erst recht nur Fingerabdrücke von Catherine darauf befinden.«
»Angenommen, es stellt sich heraus, dass es der Daumenabdruck des Gerichtsmediziners ist. Was würden Sie daraus schließen?«
»Wenn der Gerichtsmediziner oder irgendein Kollege einen Fehler gemacht hat, okay. Jeder macht mal einen Fehler, damit hab ich kein Problem.«
Arsenault betrachtete nachdenklich den Rest Kaffee in seiner Tasse. »Sie glauben also wirklich, sie wurde ermordet, John?«
»Ich glaube, dass jemand diesen Brief gelesen hat. Ich will wissen, wer das war.«
»Also gut, Leute. Zehn Minuten Pause!«
Eleanor Cathcart stieg von der Bühne, tat so, als würde sie sich den Schweiß von der Stirn wischen, und setzte sich in die erste Reihe des Zuschauerraums im Capital Centre. Cardinal war als Junge oft hier gewesen, als das Capital noch das größte Kino in der Stadt gewesen war.
»Gott, morgen haben wir Premiere, und Torvald hat seinen Text immer noch nicht intus. Was verschafft uns die Ehre? Herzliches Beileid übrigens wegen Catherine. Diese Frau fehlt uns ja so sehr.«
»Ich wollte einfach mit Ihnen reden«, sagte Cardinal. »Sie sind die Letzte, die Catherine lebend gesehen hat.«
Soweit wir wissen
.
»Ja, ich fühle mich regelrecht verantwortlich. Hätte ich ihrdoch bloß nicht von meiner schönen Aussicht vorgeschwärmt! Hätte ich sie doch bloß nicht reingelassen! Wäre ich bloß bei ihr geblieben!«
»Das muss Sie ziemlich belasten.«
»Na ja, es geht schon, wissen Sie, aber es trübt doch ein bisschen meine
joie de vivre
. Irgendwie ist mir in letzter Zeit meine Lebensfreude abhanden gekommen, und ich weiß auch, warum. Catherine ist fort, und sie wird nie wieder zurückkommen. Aber ich habe Ihrer Kollegin schon alles erzählt.«
»Mir geht es um ein persönliches Gespräch. Ich versuche einfach, ein paar Dinge für mich zu klären.«
»Ja, natürlich, Sie Ärmster.« Sie legte ihm eine Hand auf den Arm. »Ich kann mir genau vorstellen, wie Sie sich fühlen.«
Cardinal stellte ihr dieselben Fragen, die Delorme ihr wahrscheinlich schon gestellt hatte. Abgesehen von ihrem theatralischen Getue und ihrem übertriebenen Pariser Französisch war nichts Außergewöhnliches daran, wie Ms. Cathcart die Fragen beantwortete. Catherine hatte sich dafür interessiert, die Aussicht vom Dach des Hauses zu fotografieren, in dem sie wohnte, sie hatten sich verabredet,
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