Eisiges Herz
Ms. Cathcart hatte ihr die Tür geöffnet und war anschließend zu einer Probe mit den Algonquin Bay Players gefahren.
»Hatten Sie viel mit Catherine zu tun? Am College, meine ich?«
»Eigentlich nicht. Wir sind uns halt hin und wieder über den Weg gelaufen. Wir haben uns gegrüßt, mehr nicht. Ich kann nicht behaupten, dass wir Busenfreundinnen waren. Aber wir waren einander sympathisch. Ich habe sie aus der Ferne bewundert, könnte man sagen. Catherine war auf faszinierende Weise unabhängig.«
Das stimmte allerdings, dachte Cardinal. Wenn es ihr gut ging.
»Dann wissen Sie wahrscheinlich nicht, mit wem sie am College näher zu tun hatte.«
»Nein. Ich lebe hauptsächlich in der Theaterwelt. Die überschneidet sich nicht sehr mit Fotografie.«
»Haben Sie sie jemals mit einem Fremden zusammen gesehen? Oder mit jemandem, der nicht zum College gehörte?«
»Nein. Wenn ich sie gesehen habe, war sie entweder allein oder in Begleitung von irgendwelchen Studenten.«
»Haben Sie je erlebt, dass sie sich mit jemandem gestritten hat? Oder dass jemand sich über sie aufgeregt hat?«
»Nein, nie. Ich meine, manche Leute haben sich Sorgen um sie gemacht, das wissen Sie sicherlich. Und, na ja, manchmal mussten andere Dozenten sie vertreten. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendjemand sie deswegen für kapriziös gehalten hat.« Ms. Cathcart legte einen eleganten Finger an ihre Schläfe. »Allerdings gab es einige unglückliche Zwischenfälle mit Meredith Moore.«
»Erzählen sie mir davon«, sagte Cardinal. Catherines Version der Geschichte kannte er zur Genüge.
»Ach, das war bloß Collegepolitik, wie immer. Sobald der Posten der Fakultätsleitung frei wird, werden die Messer gezückt. Ich kann Ihnen sagen, im Vergleich zu Akademikern waren die Borgias die reinsten Waisenkinder. Als Sophie Klein wegging, haben Catherine und Meredith sich beide um den Posten beworben. Sie waren gleichermaßen qualifiziert: Catherine genoss mehr Anerkennung als Künstlerin, während Meredith über größere Erfahrung im verwaltungstechnischen Bereich verfügte. Dummerweise fasste Meredith es als persönlichen Affront auf, dass Catherine sich überhaupt auf die Stelle beworben hat. Offenbar war sie der Meinung, dass die Krone sich automatisch auf ihr gesalbtes Haupt senken würde. Warum, weiß der liebe Himmel. Und Meredith war sich nicht zu schade, auf Catherines, äh, psychische Problemehinzuweisen, durch die sie für den Posten ungeeignet schien. Es ging sogar das Gerücht, jemand hätte dem Dekan anonym eine Kopie von Catherines Krankenakte zukommen lassen, wobei das eher nach Legende klingt, wenn Sie mich fragen. Aber das Ergebnis ist Ihnen ja bekannt.«
»Meredith hat den Job bekommen.«
»Und ich habe Catherine immer dafür bewundert, wie sie damit umgegangen ist. Sie hat nie ein böses Wort über Meredith verloren oder ihre Enttäuschung zum Ausdruck gebracht. Aber Meredith …«
»Was war mit Meredith?«
Ms. Cathcart lächelte schmallippig. »Sie kennen ja den Spruch: Manche Menschen können das Unrecht nicht verzeihen, das sie anderen zugefügt haben. Ich bin überzeugt, dass es Meredith am liebsten gewesen wäre, wenn man Catherine gekündigt hätte. Nach dieser Geschichte konnte sie es kaum noch ertragen, sich im selben Raum mit Catherine aufzuhalten. Diese vertrocknete alte Jungfer!«
Doch als Cardinal Meredith Moore aufsuchte, war sie die Zuvorkommenheit in Person. Sie nahm Cardinals Hand, schaute ihm in die Augen und sagte: »Wie schade um Catherine. Was für eine Tragödie.«
»Haben Sie schon jemanden gefunden, der ihre Kurse übernimmt?«
»Mitten im Semester? Wo denken Sie hin? Wir haben jemanden, der sie vertritt, aber das ist natürlich kein wirklicher Ersatz.«
»Man hat mir gesagt, Sie seien nicht gerade begeistert von Catherine gewesen. Sie hätten sich schon früher nach einem Ersatz für sie umgesehen.«
Selbst in guten Zeiten wirkte Meredith Moore buchstäblich spröde: Haare, die aussahen, als würden sie gleich abbrechen,und ein Gesicht wie aus Krepppapier. Cardinal konnte es beinahe knistern hören, als sie ihre Lippen zu einem dünnen Lächeln verzog.
»Wer auch immer Ihnen das erzählt hat«, sagte sie, »wusste nicht, wovon er redete. Catherines Beurteilungen waren ausnahmslos exzellent, und ihre Fotografien waren hochgeschätzt.«
»Sie haben also nicht versucht, einen Ersatz für sie zu finden.«
»Keineswegs.«
»Wie würden Sie Ihr Verhältnis zu Catherine beschreiben?
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