Eisiges Herz
Polizeitelefon. Nächstes Thema?«
Delorme hörte sich geduldig an, wie Arsenault seine Verdächtigenliste im Fall Zeller durchging. Und McLeod bearbeitete mehrere Fälle von Körperverletzung, hatte jedoch dasProblem, dass keiner seiner Zeugen zu einer Aussage bereit war, was er natürlich als willkommenen Vorwand benutzte, um sich über diese Mauer des Schweigens zu ereifern.
Als sie wieder zu ihren Schreibtischen zurückgekehrt waren, sprach Cardinal Delorme an.
»Dieser Mann, der auf Dr. Bell losgegangen ist«, fragte er. »Wie heißt der?«
»Burnside«, sagte Delorme. »William Burnside. Sein Sohn hieß Jonathan.«
»Ich erinnere mich an den Fall. Wusstest du eigentlich, dass Catherine ebenfalls bei diesem Dr. Bell in Behandlung war?«
»Ja, ich hab’s mir gedacht.«
Cardinal sah sie so durchdringend an, dass es sie ganz nervös machte. Normalerweise war er die Gelassenheit in Person, ein bisschen mürrisch manchmal, aber eigentlich ruhig und liebenswürdig.
»Jonathan Burnside, Perry Dorn und Catherine. Meinst du nicht, das sind reichlich viele Selbstmorde für einen Psychiater? Wie wahrscheinlich ist es, dass sich drei Patienten eines Therapeuten innerhalb so kurzer Zeit das Leben nehmen?«
»Vier«, korrigierte Delorme. »Ich hab mir gestern noch mal unseren letzten Fall von Kinderpornographie vorgenommen.«
»Ja, natürlich«, sagte Cardinal. »Keswick.«
»Leonard Keswick. Hat sich erschossen, nachdem er auf Kaution freigelassen worden war. Was ziemlich verwunderlich war, weil er nur mit einer geringfügigen Strafe rechnen musste. Er hatte bloß ein paar Pornofotos auf seinem Computer, hauptsächlich von Teenagern, und er hatte sie noch nicht mal selbst aufgenommen.«
»Ich erinnere mich. Offenbar konnte er mit der Schande nicht leben.«
»Außerdem hatte er wegen dieser Sache seinen Job verloren.«
»Sag mal, wie sind wir eigentlich damals auf Keswick gekommen? Er hat keine Kinderpornos verkauft, und er hat nicht mit dem Zeug gehandelt. Woher wussten wir überhaupt von ihm?«
»Wir hatten einen anonymen Hinweis bekommen. Jemand hatte hier angerufen. Vielleicht einer von diesen freiwilligen Computerwächtern, von denen man hört.«
»Ja«, sagte Cardinal. »Vielleicht.«
38
D en ganzen Vormittag und bis in den Nachmittag hinein half Cardinal Delorme bei ihrem Kinderpornographie-Fall, doch wie das Signal eines Störsenders kehrte der Gedanke an Dr. Bell zurück und beeinträchtigte seine Konzentration. Mehrmals musste er Delorme bitten, etwas zu wiederholen, was sie gerade gesagt hatte. Dennoch verschaffte die ermittlerische Arbeit ihm so große Erleichterung, dass ihm davor graute, nach Hause zu fahren.
Für Cardinal hatte sich sein Zuhause in ein Gruselkabinett verwandelt; es gab keinen Platz im Haus, an dem er nicht litt. Er legte sich ins Bett, fand jedoch keinen Schlaf. Nach einer Weile stand er auf, holte den Fernseher aus dem Wohnzimmer und stellte ihn auf die Kommode. Das Gerät stand in einem schlechten Winkel, und eigentlich war er nicht erpicht darauf, einen Fernseher im Schlafzimmer zu haben, aber er hegte die Hoffnung, dass er sich vielleicht einen alten Spielfilm ansehen konnte, bis er endlich einschlief.
Nachdem er sich durch sämtliche vierzig Kanäle gezappt hatte, gab er auf. Er ging in die Küche, schenkte sich ein Glas Milch ein. In Hausschuhen und Morgenmantel betrachtete er nachdenklich Catherines Computer, einen flachen, silbernen Laptop, der auf einem kleinen Schreibtisch neben dem Telefon stand. Sie war wesentlich erfahrener im Umgang mit Computern gewesen als Cardinal und hatte stets alles per Internet erledigt – Überweisungen, Reisebuchungen, sogar ihr Kamerazubehör hatte sie online bestellt.
Catherines hatte ihren Laptop nur für private Angelegenheiten benutzt, und Cardinal hatte ihn noch nie angerührt, im Übrigen hatte er sowieso keine Lust, zu Hause am Computerzu arbeiten. Wenn er am Wochenende seine E-Mails abrufen wollte, tat er das an einem uralten Rechner, der im Keller stand.
Aber jetzt setzte er sich an den kleinen Schreibtisch und klappte den Laptop auf, der sofort hochfuhr. Auf Catherines zart türkisfarbenem Bildschirm klickte er das Web-Browser-Icon an und öffnete Catherines Homepage, eine Fotografie-Website mit einem Button für »die besten Fotos des Tages«. Cardinal klickte die Favoritenliste an. Catherine hatte alles sauber in Ordner sortiert. Er klickte einen davon an, der mit »Gesundheit« bezeichnet war. Er wusste, dass
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