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Eisiges Herz

Eisiges Herz

Titel: Eisiges Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Blunt
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sein, den Delorme kannte. Und er war nicht nur ein Mensch, er wurde sogar von seinem Opfer geliebt; die Fotos, auf denen das Mädchen ihn entspannt anlächelte, bewiesen es. Es musste sich entweder um den Vater des Mädchens handeln oder um jemanden, der der Familie nahestand. Delorme zweifelte nicht daran, dass dieses kleine Mädchen ihn liebte, und die Erkenntnis drehte ihr den Magen um.
    Zwei weitere Umschläge waren aus Toronto gekommen. Der erste enthielt Kopien der Fotos, aus denen das Mädchen und ihr Peiniger digital entfernt worden waren. Ohne die Akteure wirkten die Szenen völlig unspektakulär: ein altmodisches Sofa, ein Hotelbett, ein Zelt von innen, ein Garten mit einem schmuddeligen Spielhaus aus Plastik – uninteressante Schnappschüsse, wenn man nicht wusste, was sich an diesen Orten abgespielt hatte.
    Der dritte Umschlag enthielt nur ein einziges Foto; es war ein vergrößerter Ausschnitt, auf dem das Mädchen mit der Mütze zu sehen war. Es handelte sich um eine wollene, blauweiße Baskenmütze, die jetzt deutlich zu erkennen war. Delorme hatte keine Ahnung, wie die Kollegen in Toronto das fertiggebracht hatten, aber sie hielt tatsächlich einen Moment lang die Luft an. Sie erkannte die Mütze. Die Buchstaben waren nicht alle zu erkennen, aber man konnte deutlichlesen ALGON … WIN … FUR … Algonquin Bay Winter Fur Carnival.
    Das Telefon klingelte.
    »Delorme, CID .«
    »Sergeant Dukovsky. Sind Sie fertig mit Kotzen?«
    »Sergeant, Sie mögen vielleicht an so ein Zeug gewöhnt sein, ich bin es nicht. Ich würde mich am liebsten in die Wälder verkriechen und mich für den Rest meines Lebens von Wurzeln und Beeren ernähren.«
    »Ich kann’s Ihnen nachfühlen. Und dieser Typ ist bei weitem nicht der Schlimmste, den wir haben. Heutzutage kriegen wir Filme mit
Säuglingen
, und zwar
Live
-Aufnahmen.«
    »Live? Das versteh ich nicht.«
    »Internet. Ein Typ kauft sich eine Webcam und missbraucht online ein Baby nach dem anderen, während seine Gesinnungsgenossen auf der ganzen Welt dafür zahlen, dass sie zusehen dürfen.«
    »Mein Gott.«
    »Leider sind ein paar von den Fotos, die wir Ihnen geschickt haben, im selben Chatroom aufgetaucht wie die Live-Aufnahmen, es würde mich also nicht wundern, wenn der Typ auf neue Ideen käme.«
    »Hoffen wir, dass wir ihn vorher schnappen. Erzählen Sie mir von der Mütze von der Winterkirmes. Wie haben Sie es geschafft, die Aufnahme scharf zu kriegen?«
    »Wir haben hier ein paar Computerfuzzies, die mit den neuen 64-Bit-Prozessoren arbeiten und total abfahren auf das Bildbearbeitungsprogramm. Das Geilste an neuer Technologie. Ich hab sie gefragt, wie es funktioniert, aber ich habe es sofort bereut. Die Jungs haben mich vollgetextet mit Vorträgen über Filter-Dekonvolution und Lucy-Richardson-Algorithmen. Ich sage Ihnen, die Typen fressen Athlonchips zum Frühstück.«
    »Und ich dachte, Photoshop wäre cool. Interessant ist, dass der Name des Jahrmarkts vor ein paar Jahren geändert wurde, um Proteste zu vermeiden. Es heißt jetzt nicht mehr
Fur
Carnival, sondern nur noch Winter Carnival.«
    »Das könnte wichtig sein. Nur leider wissen wir nicht, wann und von wem sie die Mütze bekommen hat.«
    »Jedenfalls heißt das noch lange nicht, dass das Mädchen hier lebt. Der Jahrmarkt zieht Leute aus der ganzen Welt an.«
    »Ich bitte Sie. Sie wollen mir doch nicht erzählen, dass scharenweise Touristen aus aller Welt anreisen, bloß um den Winterjahrmarkt in Algonquin Bay zu erleben?«
    »Nicht scharenweise. Und sie kommen nicht wegen des Jahrmarkts, sondern wegen der Pelzauktion. Es kommen Käufer von den großen Kürschnereien in Paris, New York und London. Sogar Russen kommen her, um den Markt zu testen.«
    »Das ist mir neu, Sergeant Delorme. Ich wusste gar nicht, dass Algonquin Bay ein internationaler Handelsknotenpunkt ist. Haben Sie sich das Foto von dem Boot angesehen? Das, wo noch andere Boote im Hintergrund zu sehen sind?«
    Delorme ging die Fotos durch, bis sie das richtige fand. Es zeigte ein Kajütboot mit hölzerner Wandverkleidung, Holzboden und gemütlich wirkenden, mit rotem Stoff gepolsterten Sitzbänken. Das Mädchen, in Jeans und einem gelben T-Shirt, lag auf einer der Bänke. Auf dem Foto war sie vielleicht zehn oder elf und lächelte in die Kamera.
    »Kein Wunder, dass ich das Bild übersehen hab«, sagte Delorme. »Es ist eins von denen, wo er ihr nichts antut. Die Kleine wirkt regelrecht glücklich.«
    »Sehen Sie sich den Hintergrund

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