Eisiges Herz
nur schwer verwinden. Noch während er im Gefängnis einsaß, wurde er wieder drogen- und alkoholabhängig. Als er nach fünf Jahren entlassen wurde, war er in einem noch erbärmlicheren Zustand als zuvor.
Kurz darauf hatte er Cardinal eines Abends vor der Chinnok Tavern angepöbelt. Cardinal hatte gerade jemand anderen verhaftet – einen Mann, an den er sich nicht einmal mehr genau erinnern konnte –, als Plaskett aus der Kneipe getorkelt kam und ihn erkannte.
»Du Arschloch«, hatte er gelallt und Cardinal seine Bierfahne entgegengeblasen. »Du Arschficker. Du hast mein Leben zerstört.«
»Nein, Connor«, hatte Cardinal geantwortet. »Das Verdienst kannst du dir selbst zuschreiben.«
»Ich hatte ein anständiges Leben, bevor du mir in die Quere gekommen bist. Das werd ich dir heimzahlen.«
Plaskett war auf Cardinal zugewankt, hatte zu einem Schlag ausgeholt und war dann mitten auf dem Parkplatz zusammengeklappt.
Daraufhin hatte Cardinal ihm seine Autoschlüssel abgenommen, ihn auf die Rückbank seines klapprigen Pick-up geschoben, die Tür zugeschlagen und die Schlüssel in der Chinook Tavern hinterlegt.
Die Nummer 164 war ein winziger, braun-weißer Bungalow, der deutlich Schieflage hatte, als würde er ebenfalls Leim schnüffeln. Die Nummer 164 B stand auf der Tür zu dem Betonanbau, den man in dem vergeblichen Versuch errichtet hatte, das Haus aufzuwerten.
Cardinal drückte auf die Klingel, doch von innen waren keine Geräusche zu hören. Er klopfte an die Tür, auf die jemand vor Jahren mit Hilfe einer Schablone eine Weihnachtsdekoration gemalt hatte.
Eine raue Stimme, möglicherweise die einer Frau, rief: »Moment!« Anschließend krachte es hinter der Tür, als wäre ein Tablett mit Geschirr aus großer Höhe zu Boden gefallen, dann fluchte jemand vor sich hin.
Das Wort »Schlampe«, das zwar durchaus zu Cardinals Vokabular gehörte, kam ihm nur selten in den Sinn. Es war jedoch das Erste, was ihm einfiel, als die Tür geöffnet wurde.
Die Frau sah aus, als wäre sie vor Monaten durch ein mit Glasscherben übersätes Schlammfeld bis hierher gerollt worden und hätte noch keine Zeit gehabt, sich zu waschen. Ihre Augen waren blutunterlaufen, ihre Knöchel schrundig und ihre verfilzten Haare wahrscheinlich ein bevorzugtes Biotop für alle möglichen Krabbeltiere.
»Was gibt’s?« Einige von den Scherben mussten ihr in den Hals geraten sein.
»Ich suche Connor Plaskett.«
»Gut«, sagte die Frau. »Ich auch.«
Sie öffnete die Tür, und Cardinal betrat die Küche, in der es aussah wie in einem Sperrmülllager.
»Tut mir leid wegen der Unordnung«, sagte sie. »Hab keine Schränke.«
Im dämmrigen Licht, das durch das winzige Fenster fiel, konnte Cardinal an einer Wand eine Spüle ausmachen, eine einzelne Herdplatte, die auf einem kleinen Kühlschrank stand, ein paar feuchte, schiefe Obstkisten, die als Regale dienten.
Cardinal folgte der Frau ins nächste Zimmer, wo es noch dunkler war. Sie setzte sich auf ein ungemachtes Schlafsofa, das so niedrig war, dass ihr Kinn beinahe ihre Knie berührte. Cardinal lehnte sich gegen den Türrahmen. Es stank nach altem Rauch und feuchtem Teppichboden.
»Wo ist Connor?«, fragte er.
»Keine Ahnung. Zigarette?«
»Nein, danke. In welchem Verhältnis stehen Sie zu ihm?«
»Fickbraut.« Als sie seinen Blick bemerkte, sagte sie: »Was hatten Sie denn gedacht? Finanzberaterin?«
»Und Sie wissen nicht, wo er jetzt ist?«
»Keinen blassen Schimmer.«
»Tja, wenn Sie es nicht wissen, dann wird sein Bewährungshelfer es auch nicht wissen, und das würde bedeuten, dass Connor gegen seine Bewährungsauflagen verstößt.«
»Ach nee«, sagte die Frau. Nach mehreren Versuchen hatte sie ihrem Feuerzeug endlich eine Flamme entlockt und zog gierig an einer DuMaurier. Sie blies den Rauch in Cardinals Richtung. »Scheiße. Was wollen Sie von ihm?«
»Ich suche ihn im Zusammenhang mit einem Todesfall.«
»Connor könnte keinen umbringen. Der kann sich ja kaum die Schuhe zubinden.«
Der grauenhafte Zustand der Wohnung schien das zu bestätigen. Zwar wäre das Haus ein denkbarer Unterschlupf für jemanden, der eine Frau heimlich beobachtete, verfolgte und schließlich ermordete, aber nicht für einen Typen, der in der Lage wäre, eine Karte zu kaufen, einen Text zu tippen, ihn auszudrucken, das Ganze in einen Umschlag zu stecken und in Mattawa oder Sturgeon Falls in den Briefkasten zu werfen.
Aber Cardinal musste erneut an Plasketts Worte denken:
Das werd ich
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