Eisiges Herz
sieht?«
»Nein, er hat nur ein kleines Skiff, genau so eins wie ich.«
»Kennen Sie irgendeinen von den Leuten mit den Kajütbooten?«
»Nur vom Grüßen.«
»Wirklich? Aber Sie müssen doch an denen vorbei, um zu ihrem Flugzeug zu gelangen, oder?«
»Die Skiffs liegen am anderen Ende des Hafens. Unter der Sonnenterrasse vor der Kneipe. Ich rudere von dort zu meinem Flugzeug rüber, und da komme ich nicht in die Verlegenheit, mit meinen Nachbarn zu plaudern, wenn Sie sie so nennen wollen.«
»Kennen Sie irgendeinen von ihnen mit Namen?«
»Sicher. Zum Beispiel Matt Morton. Dem gehört eins von den Kajütbooten. Ich kenne Matt aus der Highschool, aber Freunde waren wir nie. Er war Footballspieler, und ich – na ja, ich war eher so was wie der Klassendepp.«
»Eher künstlerisch veranlagt«, schlug Delorme vor.
»Künstlerisch veranlagt!« Rowley grinste. »Ganz genau. Das bin ich. Jetzt muss ich nur noch eine Kunst finden, die ich beherrsche.«
»Nach dem, was ich eben gehört habe, war das eine ziemlich gute Interpretation eines Beatles-Stücks. Sind Sie Profi?«
»Nein, es ist nur ein Hobby. Ich spiele in einer Beatles-Tribute-Band namens Sergeant Tripper. Wir spielen hauptsächlich auf privaten Festen wie Hochzeiten und Bar-Mizwas.«
»Welchen Liegeplatz hat Mr. Morton gepachtet?« Delorme kannte die Antwort bereits, aber als Kriminalpolizistin hattesie schon früh gelernt, dass es sich lohnt, sich Informationen bestätigen zu lassen, wenn sich die Gelegenheit bietet.
»Matts Boot liegt am Ende von Nummer drei, auf der Nordseite.«
»Und das ist wie weit von Ihnen entfernt?«
»Näher geht’s eigentlich kaum. Ich meine, manchmal kann ich direkt in seine Kajüte sehen. Nicht dass mich das besonders interessieren würde.«
»Warum nicht? Haben Sie irgendwann mal etwas Merkwürdiges beobachtet?«
»Auf Matts Boot? Nein, überhaupt nicht.«
»Wie würden Sie Mr. Morton beschreiben?«
»Matt? Ich weiß nicht. Mittelgroß, eher kräftig. Hat wie gesagt auf der Highschool Football gespielt. Braune Haare, die allmählich grau werden – wie bei uns allen. Wobei ich mir in dem Punkt keine Sorgen zu machen brauche.« Er fuhr sich grinsend mit der Hand über die Glatze.
»Kinder?«
»Ein Sohn und eine Tochter, glaub ich. Aber an die Namen kann ich mich nicht erinnern.«
»Und der Liegeplatz gegenüber von Mr. Morton?«
»Auf der Südseite? Die Leute kenn ich nicht. Aber die haben einen riesigen Kahn.«
Laut Auskunft von Jeff Quigly und laut Informationen aus dessen Akten war der Liegeplatz an einen André Ferrier verpachtet. Die Pacht wurde pünktlich gezahlt, doch der Pächter ließ sich nur selten im Hafen blicken.
Delorme schrieb sich alle Informationen auf, dann klappte sie ihren Notizblock zu. »Also, wie gesagt, Mr. Rowley, im Moment suche ich nur nach Zeugen. Sie haben mir sehr geholfen.«
Sie reichte ihm eine Visitenkarte. Auf dem Weg zur Haustür versuchte sie, einen Blick in die anderen Zimmer zu erhaschen,aber sie konnte keine Wand, keinen Gegenstand, kein Möbelstück – zumindest nichts Offensichtliches – entdecken, das zu den Fotos gepasst hätte.
»Falls mir noch was einfällt, rufe ich Sie an«, sagte Rowley. »Aber ich bin da draußen noch nie jemandem über den Weg gelaufen, der mir vorkam, als könnte er gewalttätig werden.«
»Sie würden sich wundern«, entgegnete Delorme. »Ich jedenfalls wundere mich immer wieder, wer alles zu was fähig ist.«
18
F rederick Bell schob sich den letzten Bissen seines Stücks Erdbeertorte in den Mund und kratzte mit der Gabel die Sahnereste auf seinem Teller zusammen.
»Bist du sicher, dass das Zeug fettarm ist?«, fragte er seine Frau Dorothy, die gerade dabei war, den Kühlschrank aufzuräumen.
»Ich hab das Rezept aus einem Diät-Backbuch«, sagte sie in den Kühlschrank. »Es ist garantiert kalorienarm.«
»Aber das gilt nur dann, wenn man nicht mehr als ein Stück isst. Was ist, wenn man plötzlich Lust auf ein zweites bekommt?«
»Du kriegst kein zweites.« Dorothy war mit einem gesunden Menschenverstand gesegnet, der ihr sehr zugute gekommen war, als sie noch als Krankenschwester gearbeitet hatte, und der ihr ebenfalls in ihrer Eigenschaft als Ehefrau eines Psychiaters zugute kam. »Wenn du noch ein Stück verdrückst, führst du den ganzen Aufwand mit der kalorienarmen Ernährung ad absurdum.«
»Dinge ad absurdum zu führen ist schon immer mein Lebenszweck gewesen, warum sollte ich also jetzt eine Ausnahme machen?«
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