Eiskalt in Nippes
wahr, ging aber weiter, als sie nach wenigen Metern das eben gesehene Bild wie ein Blitzschlag traf. „Das kann nicht sein. Nein, das ist unmöglich“, hörte sie sich leise sagen. Sie ging noch mal zurück. Wie gebannt schaute sie sich das Plakat an und las den Text. Erna Schmitz konnte trotz ihres Alters noch ohne Brille lesen.
Das Gesicht des Mannes auf dem Bild kam ihr bekannt vor. Sie war sich nahezu sicher, dass sie vor über 20 Jahren in seiner Firma als Sekretärin gearbeitet hatte. Sie versank in Gedanken und erinnerte sich wieder, wie er ihr zum 50. Geburtstag einen riesigen Strauß Blumen überreichte, sie rechts und links auf die Wangen küsste und den üblichen Spruch über Dankbarkeit abspulte.
Ungläubig las sie den Fahndungstext. Ein etwa 35 – 40-jähriger Mann war am Montag tot aufgefunden worden. Er war in einer alten Tiefkühltruhe in der Viersener Straße entdeckt worden. Sie kramte Stift und Zettel aus ihrer Handtasche und schrieb sich die Rufnummer der Mordkommission Privileg auf.
Als Erna Schmitz am späten Abend wieder im Stift in ihrem Apartment angekommen war, goss sie sich erst einmal einen Pfirsichlikör ein und setzte sich in ihren alten, aber bequemen Ohrensessel, um nachzudenken. Ihrer Meinung nach konnte es sich unmöglich um ihren früheren Chef handeln. Sie kam sich ein wenig blöd dabei vor, denn der würde doch jetzt ganz anders aussehen, sagte sie immer wieder zu sich selbst. Aber sie wollte Gewissheit. Sie nahm das Telefon und tippte mit leicht zitternden Fingern die Ziffern, die sie eben im „Goldenen Kappes“ notiert hatte.
Nach einigem Klingeln wurde der Anruf von Willi Schuster auf der Kriminalwache angenommen. Westhoven hatte seinen Apparat dorthin umgeleitet, damit kein Hinweis, der außerhalb der Bürostunden des KK 11 gegeben werden würde, verloren ging. Er wollte keinen der Hinweise verpassen.
„Schuster, Kriminalwache Köln, was kann ich für Sie tun?“, meldete er sich wie gewohnt.
„Hier ist die Erna Schmitz. Habe ich da die Privilegleute?“, in ihrer Stimme schwangen ihre Aufregung und Unsicherheit mit.
Schuster wusste natürlich sofort, um was es ging, und half der Anruferin: „Sie meinen bestimmt die Mordkommission Privileg.“
„Ja, genau. Wissen Sie, ich habe da heute bei uns ein Plakat gesehen und möchte darüber mit jemandem sprechen“, sagte Frau Schmitz.
„Liebe Frau Schmitz. Von der Mordkommission ist heute Abend keiner mehr da, aber ich notiere gern, was Sie zu sagen haben“, bot er ihr an. „Sagen Sie mir doch zuerst mal, wer Sie sind und wie meine Kollegen Sie erreichen können.“
„Also von der Mordkommission ist keiner mehr da?“, fragte sie verzweifelt.
„Nein, Frau Schmitz, aber ich notiere gern Ihre Angaben und meine Kollegen rufen Sie dann gleich morgen zurück“, wiederholte er freundlich.
„Ich ruf dann wieder an“, beendete sie völlig verunsichert das Gespräch.
Willi Schuster schaute den Hörer an, rief noch mal „Hallo, hallo“ und legte ihn dann zurück auf den Apparat. Dann griff er zur Computertastatur, schrieb für Westhoven einen Vermerk über den Anruf und legte diesen ins Postfach des KK 11.
Erna Schmitz wurde es abwechselnd heiß und kalt, sie atmete schwer vor lauter Anspannung. Dann entschloss sie sich, den Einzigen anzurufen, der jetzt Auskunft geben konnte. Sie kramte ihr altes, abgegriffenes Telefonverzeichnis aus der Schublade und suchte seine Telefonnummer. Mit zittrigen Fingern blätterte sie, bis sie endlich den gesuchten Namen fand. Sie wählte seine Telefonnummer.
Nach fünf Signaltönen schaltete sich der Anrufbeantworter ein.
„Leider bin ich im Augenblick persönlich nicht erreichbar. Bitte hinterlassen Sie Ihren Namen und für einen Rückruf Ihre Telefonnummer. Ich rufe Sie baldmöglichst zurück.“
„Ja, hier ist Erna Schmitz. Sie erinnern sich doch noch an mich? Haben Sie auch von dieser Leiche in der Tiefkühltruhe gehört? Aber das kann doch gar nicht sein! Ich werde morgen früh um 09.00 Uhr zum Polizeipräsidium fahren und dort nachfragen, was das für eine Geschichte ist.“
Später versuchte sie es noch einmal, erreichte jedoch wiederum nur den Anrufbeantworter. Sie sprach erneut aufs Band.
In dieser Nacht konnte Erna Schmitz vor lauter Aufregung fast nicht schlafen. Aber morgen würde sie ja erfahren, was in Nippes passiert war.
ELF
Westhoven war schon um 06.35 Uhr am Polizeipräsidium. Auf dem Weg vom Parkhaus zum Büro traf er Willi Schuster, der gerade
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