Eiskalt in Nippes
fallenden Wassermelone, auf den Asphalt, wo sie regungslos liegen blieb.
Katrin Oehmchen schrie auf, riss ihr Handy aus der Halterung und wählte wie von selbst die 110.
Ohne anzuhalten raste der schwarze Pkw weiter. Mit der linken Seite streifte er laut knirschend am Ampelmast entlang, fuhr gegen den dort noch rotierenden Rollator und entfernte sich dann mit hohem Tempo Richtung Kalk, bevor er aus ihrem Blickfeld verschwand.
Katrin Oehmchen zählte die Sekunden. Ihr kam es vor wie eine Ewigkeit, bis die Polizei und der Notarzt eintrafen.
Wie ferngesteuert hatte sie sich zu der älteren Frau gehockt. Als sie ihr in das Gesicht schaute, schreckte sie zurück. Diese Frau kannte sie. Einmal im Monat ließ sie sich von ihr von der S-Bahn-Station Nippes zum „Goldenen Kappes“ auf der Neusser Straße und nach zwei Stunden wieder zurück fahren. Sie versuchte mit ihr zu sprechen. Sie bekam keine Antwort. Sie legte den Kopf auf ihren Schoß, doch sie sah nur einen klagenden tonlosen Blick. Katrin Oehmchen musste quälend mit ansehen, wie in den Augen der Frau das Lebenslicht langsam erlosch und der Kopf im gleichen Augenblick zur Seite wegsackte. Erna Schmitz war in ihren Armen gestorben.
Aus Katrin Oehmchen brach es gellend heraus: „Dat wor doch Mord, ja, Mord wor dat. Dat wor doch keine Unfall. Dat Fierke hät die Frau met Avsisch üvverfahre.“ 6 Tränen liefen ihre Wangen herunter, vermischten sich mit dem zu dick aufgetragenen Make-up. Die aufgelöste Wimperntusche bildete schwarze Streifen in ihrem Gesicht.
Was dann folgte, war die übliche betroffene Routine der Spezialisten des Verkehrsunfallaufnahmeteams. Katrin Oehmchens Personalien wurden aufgenommen, und sie wurde standardmäßig gefragt, ob sie etwas gesehen hatte. Für den Beamten war dies ein ganz normaler Unfall mit Fahrerflucht. Während er sich alles notierte, war der andere Polizist schon dabei, die Straße auszumessen und Farbmarkierungen auf die Fahrbahn zu sprühen.
Da der Notarzt zweifelsfrei den Tod von Erna Schmitz festgestellt hatte, durfte die Tote aus hygienischen Gründen nicht in den Rettungswagen gelegt werden. Sie wurde daher mit einer Mehrzweckplane abgedeckt, bis sie schließlich von einem Leichenwagen abgeholt und zur Rechtsmedizin gebracht wurde.
Der aufnehmende Beamte fragte Katrin Oehmchen zum Abschluss noch, ob sie Hilfe bräuchte, was sie aber verneinte, da sie erkannte, dass sie mit ihrer Mordtheorie auf taube Ohren stieß. Stattdessen machte sie sich auf den Weg zum KK 11. Sie hoffte, dass Heinz Dember da wäre. Ihm hatte sie vor ein paar Wochen auch bei dem Mord mit dem Mörderhasen geholfen 7 . Jetzt hatte sie sich in den Kopf gesetzt, ihm von dem „Mordunfall“ zu erzählen.
Sie betrat das Polizeipräsidium durch den Haupteingang, ging im Foyer sofort zum Meldetresen und bat den Pförtner, Heinz Dember vom KK 11 anzurufen.
Der Pförtner wählte die Nebenstelle von Heinz Dember.
„Herr Dember, guten Morgen, hier ist das Foyer. Eine Frau Oehmchen steht hier und will zu Ihnen.“
„Ach du Scheiße“, rutschte es Dember heraus. „Sagen Sie ihr bitte, ich sei nicht da.“ Er musste an die mehrfachen Anmachversuche der Frau denken, die ihre blond gefärbten Haare als „Bergheimer Palme“ trug,und an ihr Sonnenbank gegerbtes, viel zu grell geschminktes Gesicht. Sie wirkte auf ihn wie eine älter gewordene Karikatur einer bekannten Kölner Comedian, deren Name ihm jetzt aktuell nicht einfiel. Nein, an einem Gespräch mit der ewig schnatternden Katrin Oehmchen hatte er an diesem Morgen kein gesteigertes Interesse.
„Das kann ich leider nicht, sie steht unmittelbar vor mir und sieht, dass ich telefoniere.“
„Okay, geben Sie ihr mal den Hörer“, resignierte er. Den Morgen hatte er sich anders vorgestellt.
„Joden Daach, Herr Dember, isch ben et, dat Oehmchens Katrin vom Taxi 1022. Isch muss direck met Inne spresche. Isch han ene Mord jesin. Om hellischde Daach medden op dr Stroß. Ihre Kollesch vun dä Uniformeete denk nämlich, dat es nur ne janz normale Unfall, wo einer affgehaue es. Isch hann evver alles jenau jesinn un weiß, dat dat nämlich keine zofällije Unfall jewäse es“ 8 , sprach sie ohne Punkt und Komma in der gewohnten Manier eines Maschinengewehrs.
„Jetzt mal langsam, Frau Oehmchen“, Dember hatte wieder mal nicht alles verstanden. In den letzten Wochen hatten sich seine Kölschkenntnisse nicht wirklich verbessert. „Was ist passiert?“
„Direck am Präsidium ist evens en aale
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