Eiskalt in Nippes
kann nicht sein, Herr Blecher ist ein feiner Mann, der kann nichts damit zu tun haben. Ich frage ihn gleich“, nahm er sich vor.
Heinrich Krieger verschloss die Garage wieder und ging zurück zum Zaun, um weiterzustreichen. Er hob den Pinsel auf und tauchte ihn in den Farbeimer. Aus dem in die Jahre gekommenen Radio knisterte gerade „With or Without You“ der irischen Rockband U2.
Es war 09.20 Uhr, als Anne das Café in der Brückenstraße betrat. Hier war sie früher oft mit ihrer Großmutter gewesen und diese, wie sie oft erzählte, mit ihrer Großmutter. Wenn sie nachmittags nach Büroschluss noch etwas in der Innenstadt zu besorgen hatte, ging sie ab und zu ins Eigel, um dort sozusagen im Andenken an ihre Oma ein Königinnenpastetchen 35 zu essen. Damals, als sie Kind war, liebte sie vor allem die Mailändertorte mit Marzipan, heute zog sie wie ihre Großmutter etwas Herzhafteres vor.
Anne suchte einen Tisch in einer ruhigen Nische aus. Das Café war um diese Zeit noch relativ leer, da es erst vor 20 Minuten geöffnet hatte. Nachmittags bekam man hier nur mit Glück noch einen Platz.
Anne Westhoven freute sich darauf, ihrer neuen Freundin mit Rat und Tat zur Seite stehen zu können. Immerhin war ihre Hochzeit noch gar so nicht lange her, und sie kannte die tollen Brautgeschäfte, in denen man zuvorkommend beraten wurde. Sie hatte damals in einem der größten Kölner Brautmodengeschäfte ein schneeweißes Kleid der Nina Sposa Kollektion erworben und als Geschenk einen passenden Brautbeutel, fingerlose Brauthandschuhe und den 190cm großen Reifrock kostenlos dazubekommen. Bei einem Preis von beinahe 2.000 € konnte man dies eigentlich auch erwarten. Sie geriet ins Träumen, als ihr der atemlose Blick von Paul bildhaft vor Augen war. Ihm hatte es die Sprache verschlagen, als er seinem Sternchen zum ersten Mal in Weiß gegenüberstand. Wie eine Elfe habe sie ausgesehen, hatte er ihr am Altar ins Ohr geflüstert.
„Hallo, Anne“, wurde sie aus ihrem Tagtraum gerissen. Dr. Doris Weber umarmte Anne, und sie küssten sich gegenseitig zur Begrüßung auf die Wangen.
„Anne, hast du die tolle Hochzeitstorte gesehen?“, schwärmte die Rechtsmedizinerin, die sonst mir ihren scharfen Skalpellen nur Leichname öffnete und nun an das Zerschneiden der Hochzeitstorte dachte.
„Nur eine, welche von den vielen Torten meinst du denn?“, grinste Anne. „Bei der großen Auswahl fiele mir die Wahl ziemlich schwer.“
„Wie sah denn eure Torte aus?“, fragte Doris Weber.
„Das war so ein Apparat“, zeigte Anne mit weit geöffneten Armen etwa die Größe eines runden Gullydeckels. „Vier Stockwerke hatte die,super schön mit roten Marzipanröschen verziert und obenauf das obligatorische Brautpaar mit Tüllkranz und unsere Initialen ‚A P‘, dazwischen ein paar ineinander verschlungene Brandteigschwäne. Zwar der absolute Kitsch, aber zu diesem Anlass traumhaft“, meinte sie den süßen Marzipangeschmack soeben auf der Zunge zu verspüren.
„Wo habt ihr die bestellt?“
„In der Konditorei Fromme“, sagte sie nicht so laut und beugte sich daher etwas über die Tischplatte zu Doris herüber.
„Und wieso habt ihr die nicht hier bestellt?“, wollte Doris wissen.
„Das hatte keinen besonderen Grund, wir haben uns einfach spontan entschieden, und die Konditorei Fromme ist direkt am Neumarkt, wo auch mein Büro ist. Aber jetzt leg mal die Karten auf den Tisch“, sah Anne sie neugierig an.
„Warum wollt ihr heiraten, so lange kennt ihr euch doch noch gar nicht?“
„Okay, dir wollte ich es sowieso erzählen. Ich bin schwanger“, schoss es aus ihr heraus. „Behalte das aber bitte vorläufig noch für dich“, bat sie.
„Aber das ist ja wunderbar“, sprang Anne auf, nahm Doris in den Arm und drückte sie vor lauter Freude so fest, dass diese kaum noch richtig atmen konnte.
„Ja, Heinz wird sicher ein guter Vater. Der ist ganz verrückt, ich glaube, der ist mehr schwanger als ich.“
„Höre ich da etwas heraus, meine Liebe?“
„Es war halt nicht geplant. Für mich ist das eine ganz komische Situation. Ich wollte zwar immer Mutter werden, aber den Zeitpunkt hätte ich gern selbst festgelegt.“ Auf Anne Westhoven machte sie einen leicht betrübten Eindruck.
„Ach Doris, wenn du das Baby das erste Mal in deinen Armen hältst, sind deine Zweifel wie weggeblasen, glaub es mir“, versuchte sie ihr Mut zu machen.
„Du hast sicher recht, aber jetzt habe ich Hunger. Komm, wir packen uns die
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