Eiskalt in Nippes
genauso lange ist er schon drüben in Asien.“
„Aber Sie treffen sich doch sicher regelmäßig?“, wollte Dember nun ergänzend wissen.
„Aber klar, wir telefonieren häufiger übers Internet.“
„Und persönlich?“, war Dember mit Blechers Antwort nicht zufrieden.
„Ganz selten, Herr Kommissar. Keine Zeit. Ich leite hier den Mutterkonzern und mein Bruder die Tochter in Singapur“, wich er abermals der Beantwortung aus. Dember beließ es zunächst dabei, aber dieses Thema hatte er auf seiner virtuellen Festplatte im Kopf gespeichert und würde darauf zurückkommen.
„Haben Sie zufällig ein aktuelles Foto von Ihrem Bruder zur Hand?“
Blecher verließ plötzlich seine Selbstsicherheit.
„Brauche ich jetzt einen Anwalt? Worum geht es hier eigentlich wirklich?“, fragte er barsch.
„Reine Routine. Wir versuchen die Identität eines Toten zu klären und Sie sind lediglich eine von vielen Spuren, denen wir nachgehen müssen“, versuchte Dember ihn zu beruhigen.
„Was für ein Toter, und wieso bin ich eine Spur, was heißt das?“
Krogmann übernahm die Beantwortung: „Das Haus in der Viersener Straße in Nippes, welches Sie von Ihrem Vater geerbt haben, wie lange haben Sie dort selbst gewohnt und wann haben Sie es verkauft? Nach unseren Erkenntnissen haben Sie in dem Haus selbst gewohnt, und zwar zusammen mit Ihrem Vater bis zu dessen Tod und dann weiter mit Ihrem Bruder. Sie haben vielleicht von dem Toten in der Kühltruhe in Nippes gelesen, darum geht es. In diesem Haus wurde die Leiche gefunden.“
Blecher wurde unruhig und zuckte mit den Schultern: „Und was habe ich damit zu tun?“
„Wieso heißt Ihr Bruder eigentlich nicht Blecher?“, wollte Krogmann wissen.
„Also, das ist doch alles schon ewig her. In dem Haus wohne ich doch schon seit Jahren, ach was sag ich, seit Jahrzehnten nicht mehr. Auf dem Foto in der Zeitung habe ich es gar nicht erkannt“, gab er sich unwissend. „Und Uwe ist mein Halbbruder, wir haben verschiedene Väter. Als meine Mutter aus Königsberg nach Westdeutschland kam, war sie schwanger. Uwe wurde kurz vor der Hochzeit geboren, ich ein Jahr später. Uwe hat den Mädchennamen unserer Mutter behalten. Sie ist ja leider früh gestorben“, er war sichtlich berührt, als er davon erzählte. Von einem Moment zum anderen jedoch mutierte er wieder zum kühlen Geschäftsmann: „Wenn Sie keine weiteren Fragen haben, muss ich mich jetzt leider entschuldigen, mein Termin steht an“, wies er deutlich auf seine beschränkte Zeit hin und tippte dabei mit dem Zeigefinger auf das Glas seiner Armbanduhr.
Die beiden Ermittler verabschiedeten sich und kündigten an, dass sich noch Fragen ergeben könnten. Blecher verwies auf die Empfangsdame und empfahl, dass sie beim nächsten Mal doch einen Termin vereinbaren sollten.
„Was für ein gelackter Fatzke“, sagte Dember zu Krogmann, als sie den Dienstwagen erreichten.
„Ja, irgendwie habe ich ein komisches Gefühl bei ihm. Keine einzige Frage zur Leiche oder zum Fall an sich. Sehr ungewöhnlich. Den sollten wir mal genauer unter die Lupe nehmen. Komm, wir fahren nach Roggendorf und schauen uns mal an, wie er so wohnt“, schlug sie vor.
„Ja, das machen wir“, sagte Dember, drehte aber vorher noch mal um und bat die Empfangsdame um Zusendung der Fahrerliste für die 5er-BMW per E-Mail. Außerdem hinterließ er ihr seine Visitenkarte mit allen notwendigen Daten.
„Wohin geht’s?“
Krogmann nannte ihm die Anschrift, und Dember fuhr zur Autobahnauffahrt A 57, Richtung Norden. Die Strecke würde er ohne Weiteres finden, denn bevor er die Laufbahn im gehobenen Dienst als Kriminalist einschlug, war er Streifenbeamter in der Polizeiinspektion Nordwest. Seine damalige Polizeiwache in Köln-Chorweiler war auch für den Ortsteil Roggendorf zuständig.
Gut 20 Minuten später standen sie vor dem Eingangstor des weitläufigenGartens, der das weiß verblendete Gebäude umgab. Durch die Buchenhecke und den Zaun war die Villa nur ab dem 1. Stockwerk aufwärts zu sehen, ansonsten war ein freier Blick aufs Anwesen nicht möglich. Als Dember versuchte, sich am Zaun hochzuziehen, hörte er dahinter sogleich ein ohrenbetäubendes Geschnatter und zog es vor, von seinem Vorhaben Abstand zu nehmen, um keine Aufmerksamkeit zu erregen.
„Nicht schlecht, Herr Specht, die Viecher sind ja ziemlich laut“, war er sichtlich beeindruckt. Auf der anderen Seite des Zauns begann ein Ganter zu zischen. Dember schauderte kurz und war
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