Eiskalt Ist Die Zaertlichkeit
Zerzauste es. Steven verbiss sich ein Lächeln. Selbst mit zerzaustem Haar hätte der Mann für die
GQ
Modell stehen können, aber irgendwie wirkte er deshalb nicht weniger wie ein Bulle. »Hat Spinelli eine Frau, eine Polizistin, bei Caroline Stewart anrufen lassen?«, fragte Lambert unvermittelt.
»Ich weiß nicht«, antwortete Steven und hätte sich treten mögen, weil er nicht daran gedacht hatte. »Angenommen, sie ist wirklich Mary Grace, dann könnte ein männlicher Polizist ihr Angst machen, wenn man bedenkt, was sie mit Winters hat durchstehen müssen. Falls sie zu Hause ist, öffnet sie vielleicht nicht einmal die Tür. Und falls Spinelli keine genauen Angaben darüber gemacht hat, weshalb sie ihn zurückrufen soll, meldet sie sich vielleicht überhaupt nicht bei der Chicagoer Polizei.«
»Toni soll sie anrufen«, schlug Lambert vor und grinste. »Sie kann richtig nett sein, wenn sie will.«
»Wenn sie was will?«, fragte Toni hinter ihnen. Steven drehte sich zu ihr um. Sie trug ein konservatives schwarzes Kostüm. Es war Zeit für den Auftritt vor der Presse.
»Ich möchte Sie bitten, nach der Konferenz in Caroline Stewarts Wohnung anzurufen«, sagte Steven. »Vielleicht hört sie auf Sie. Vor einem männlichen Polizisten ist sie schließlich davongelaufen.«
»Mach ich. Aber jetzt haben wir erst einmal einen Termin mit einer Horde ausgehungerter Piranhas.« Sie sah zu Lambert hinüber und grinste ihn an. »Kämmen Sie Ihr Haar, Jonathan. Wir müssen uns jetzt der Meute stellen.« Sie warf Steven einen Blick zu, als Lambert einen Kamm aus einer Schublade seines Schreibtisches zog. »Danke, dass Sie gekommen sind, Steven. In dieser Pressekonferenz geht es um den Mord an dem Jungen, aber wahrscheinlich kommt Mary Grace auch zur Sprache.«
Steven klopfte ihr kumpelhaft auf die Schulter. Er verabscheute Pressekonferenzen fast genauso sehr wie Blinddates. »Ich kann Ihnen die Lorbeeren doch nicht allein überlassen, Toni. Das wäre nun wirklich nicht gentlemanlike.«
Chicago
Sonntag, 18. März, 13:45 Uhr
Er schlenderte auf und ab, benahm sich ganz wie der Herr im Haus. So hatte Caroline ihn schon vorher erlebt, oft sogar, hatte ihn meistens aus dick geschwollenen Augen beobachtet. Heute war es nicht anders. Ein dumpfes Pochen in ihren Schläfen und an ihrem Hinterkopf bewirkte, dass sie sich nur schwer konzentrieren konnte. Sie befühlte ihren oberen rechten Eckzahn mit der Zunge. Er saß ein bisschen locker. So unauffällig wie möglich bewegte sie den Unterkiefer vor und zurück. Er war nicht gebrochen. Noch nicht.
Rob durchquerte das kleine Wohnzimmer und hielt einen Revolver in der Hand. Damals hatte er sich in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen genauso aufgeführt. Er griff dann nach seinem Revolver, den sein Vater ihm vererbt hatte, hielt ihn ihr an den Kopf und – klick – drückte ab. Die Waffe war nie geladen, doch sie war sich dessen nie sicher gewesen. Und er hatte sie dann einfach nur ausgelacht.
Heute war es jedoch anders. Heute hatte er einen langen Schalldämpfer auf den Lauf geschraubt, als ob er plante, die Waffe in einem geschlossenen Raum abzufeuern. In ihrer Wohnung zum Beispiel.
Rob unterbrach seine Wanderung durch den Raum und lächelte sie an.
Sie saß auf dem alten Sofa, und das Blut gefror ihr in den Adern. Sie zog kurz in Erwägung, wegzulaufen, doch dann fiel ihr Blick wieder auf die Waffe in seiner Hand. Vielleicht würde er sie nicht erschießen, aber bis zur Tür würde sie es niemals schaffen. So viel stand fest.
»Ich muss mich über dich wundern, Mary Grace«, sagte er, und das Lächeln schwang in seiner Stimme mit. »Du hast es geschafft, mich gehörig hinters Licht zu führen. Irgendwann musst du mir mal erzählen, wie du das angestellt hast.« Seine Augen blickten kalt. »Ich möchte mich gern persönlich bei allen bedanken, die dir dabei geholfen haben. Bei all den Leuten, die für dich gelogen haben.« Sein Lächeln verwandelte sich in ein Fletschen seiner gelben Zähne. »Bei all den Ärzten, die gesagt haben, du wärst ein Krüppel, du würdest nie wieder laufen können.« Er musterte sie von oben bis unten. »Damit hast du mich reingelegt. Mit wie vielen von ihnen hast du geschlafen, damit sie bereit waren, für dich zu lügen?« Er hob die Brauen. »Darum kümmern wir uns später, das verspreche ich dir. Jetzt wollen wir zunächst auf die wichtigste Frage zurückkommen.« Er trat einen Schritt vor. »Wo ist Robbie?«
Sie sah zu ihm auf,
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