Eiskalt Ist Die Zaertlichkeit
den irgendeiner Fremden, den sie irgendwo auf einem Grabstein in St. Louis gefunden hatte.
Er hatte nicht falsch gehandelt. Nur überstürzt. Es war ja nicht so, dass Caroline ihn nicht heiraten wollte. Sie fand nur nicht die Lösung für ein Problem, mit dem sie seit sieben langen Jahren lebte. Eine Viertelstunde, nachdem sie davongefahren war, hatte sich sein Verstand geklärt, war die Kränkung in den Hintergrund getreten, während sein logisches Denkvermögen wieder eingesetzt hatte. Sein von David initiiertes, logisches Denkvermögen, versteht sich. Sein Bruder hatte gewartet, bis Danas Klapperkiste verschwunden war, bevor er sich mit tieftraurigem Blick ihm zugewandt hatte. Und innerhalb von fünfzehn Minuten hatte David seinen Schmerz durchbrochen. Max hatte sich über sein Selbstmitleid hinweggesetzt und erkannt, wie viel Courage Caroline Tag für Tag hatte aufbringen müssen. Aber nicht nur Courage. Er hatte auch die Angst und das Entsetzen begriffen, die ihr sieben Jahre später noch immer zusetzten. Sie glaubte, dass es keinen Ausweg gab, keine Möglichkeit, auf gesetzlichem Wege dem Mistkerl zu entkommen, der ihr gesamtes Leben, seit sie ein Teenager war, mit seiner Brutalität vergiftet hatte.
Ihm war klar, dass sie einen Weg finden mussten, um sie endgültig von ihrem Mann zu befreien, und zwar gemeinsam. Weniger würde nicht ausreichen, damit sie bereit war, ihn zu heiraten. Und etwas anderes als Heiraten war für ihn ausgeschlossen. Er seufzte. Denn tief in seinem Herzen hatte er den wahren Grund für seine schwere Kränkung erkannt. Wenn Caroline ihre Ehe mit dem Mistkerl als gesetzlich bindend betrachtete, bedeutete das, dass sie in ihrem Herzen noch verheiratet war. Noch gebunden war. Noch Teil von
ihm
war.
Nicht von mir
, dachte er und empfand wieder den stechenden Schmerz, der ihn schon während des ganzen Tages verfolgt hatte. Wenn ihr Ehegelöbnis ihr heilig war, bedeutete das, dass eine Beziehung zwischen ihm und ihr besudelt war. Schmutzig. Er würde mit einer verheirateten Frau zusammenleben, und diese Erkenntnis erschütterte Max mehr als alles andere. Er hatte noch nie mit einer verheirateten Frau geschlafen, nicht einmal in seiner wilden Zeit als Profi-Basketballer.
Jetzt hatte er es getan. Er ließ die Schultern hängen.
Max stellte fest, dass auch er Wert auf seine Integrität legte. Verheiratete Frauen waren tabu. Absolut.
Das Deckenlicht flammte auf, und das vertraute Parfüm, das seine Mutter schon getragen hatte, als er noch ein kleiner Junge war, kitzelte ihn in der Nase. Das Ledersofa knarrte leise, als sie sich setzte. Max rührte sich nicht von der Stelle, auch nicht, als seine Mutter nach seinem Oberarm griff und ihn nah genug an sich heranzog, um ihm einen Kuss auf die unrasierte Wange zu geben. Das Rascheln in seinem Rücken verriet ihm, dass die Gesellschaft sich ins Wohnzimmer verlagert hatte. Endlich drehte er sich um. Da saßen sie in einer Reihe, fünf Augenpaare, die auf sein Gesicht gerichtet waren.
»Wir haben ein Recht zu wissen, was passiert ist«, begann Cathy ohne großartige Vorrede.
»Und komm gar nicht erst auf die Idee, nein zu sagen«, warnte Peter.
Elizabeth zuckte mit den schmalen Schultern. »Es wäre unhöflich, Max.«
»Es ist uns ein Bedürfnis, dir zu helfen, Max«, fügte Peter leise hinzu. »Dieses Mal müssen wir hinter dir stehen.«
Max warf David einen Blick zu, und dieser nickte ihm zu.
»Du kannst uns vertrauen, Max«, sagte seine Mutter milde. »Wir lieben dich. Wir haben dich doch immer geliebt.«
Max holte tief Luft und stieß sie langsam seufzend wieder aus. »Wenn es mein eigenes Geheimnis wäre, würde ich es euch ohne zu zögern anvertrauen. Aber weil es Carolines Geheimnis ist, muss ich jeden Einzelnen von euch bitten, mir sein Wort zu geben, dass nichts von dem, was ich sage, jemals diesen Raum verlässt.« Alle nickten mit ernster Miene. »Nun gut. Falls David so nett ist, mir einen Stuhl aus der Küche zu holen, habe ich euch eine Geschichte zu erzählen.« Er brachte ein kleines Lächeln zustande. »Bitte überlegt mit mir, wie ich mit Caroline auf einen Nenner kommen und uns beide aus diesem Chaos befreien kann.«
Chicago
Sonntag, 18. März, 18:30 Uhr
B eim nächsten Mal, Tom«, versprach Barry, als der Van seines Vaters vor Toms Wohnung anhielt.
Tom versetzte seinem besten Freund einen Boxhieb gegen die Schulter, fest entschlossen, sich die Enttäuschung über die vorzeitige Heimkehr nicht anmerken zu lassen.
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