Eiskalt Ist Die Zaertlichkeit
er seine Wut auslassen konnte. Einer von Großmutter Hunters Tellern zerschepperte, als er ihn gegen das alte Porzellanspülbecken stieß. »Ich will, dass du mit mir redest.« Er wandte sich seinem Bruder zu, und die Verzweiflung stand ihm deutlich ins Gesicht geschrieben. »Ich will meinen Bruder zurück.«
Das herzzerreißende Flehen in seiner Stimme bewirkte mehr, als Worte es je vermocht hätten. Max schloss die Augen, als seine heftigen Gefühle ihm die Kehle zuschnürten. »Ich bin zurück, Dave.«
»Dein Körper ist zurück, Max. Aber ich will
dich
.« Max war bestürzt, als er hörte, wie Davids Stimme brach. »Du hast mir gefehlt.« Er schluckte schwer, um die Tränen zu bekämpfen. »Ich liebe dich. Wir alle lieben dich. Komm nach Hause, Max.«
Max ließ die Schultern hängen und barg das Gesicht in den Händen. Wie hatte er die Menschen, die ihm die liebsten waren, dermaßen verletzen können? »Ich habe Elise nie davon erzählt.«
David kniete auf dem kalten Linoleumboden und zog Max die Hände vom Gesicht. »Du hast ihr nie von dem Unfall erzählt? Von deinem Rollstuhl? Warum zum Teufel nicht?«
Max’ Lachen klang rau und erstickt. »Weil ich ein … wie hast du mich noch immer genannt?«
»Ein in Selbstmitleid schwelgender Scheißkerl.«
»Ja. Genau das bin ich gewesen.«
»Deshalb konntest du mit ihr nicht zu uns nach Hause kommen, weil sie es sonst von einem von uns erfahren hätte?«
»So ähnlich.«
»Max.« Mitleid, vermischt mit Empörung, drang in seine Ohren.
»Ich weiß.«
»Nein, du weißt nichts. Ma denkt, dass du dich ihrer schämst.«
Max blickte mit grimmiger Miene auf. »So habe ich niemals empfunden.«
»Warum bist du dann so lange fortgeblieben, Max? Warum bist du ans andere Ende des Kontinents gezogen? Und sag jetzt nicht, wegen deiner Arbeit. Du hättest an jeder Universität in Chicago eine Stelle bekommen. Und wenn du dann nach Hause kamst …, warum warst du dann immer so distanziert?«
Max wandte den Blick ab. »Viele Fragen auf einmal.«
»Hin und wieder tauchte in unseren Gesprächen nun mal dein Name auf«, erwiderte David trocken.
»Und wie lautet das Urteil?« Max hörte den Hohn in seiner Stimme, konnte ihn aber genauso wenig verhindern, wie er an einem Marathonlauf hätte teilnehmen können. Jetzt jedenfalls nicht mehr.
David hockte sich auf seine Fersen. »Schuldig. Wir glauben, dass du unter Schuldgefühlen leidest. Wegen Pop.«
»Das ist ja wohl das Lächerlichste …« Er unterbrach sich, als David wissend eine Augenbraue hochzog. Zum Teufel mit David und seiner verdammten Intuition.
»Es ist Blödsinn, sich nach all dieser Zeit noch schuldig zu fühlen, Max.«
Max blickte auf David herab, der immer noch vor ihm hockte. »Ich schätze, ich bin euch allen eine Erklärung schuldig.«
Daraufhin zuckte David lediglich mit den Schultern. »Also, warum hat deine Elise einen anderen geheiratet?«
Max biss sich auf die Unterlippe und beschloss, Elises Hauptgrund zu verschweigen. »Sie sagte, sie braucht jemanden mit mehr … Schmackes.«
»Hat sie wirklich ›Schmackes‹ gesagt?« Davids Lachen kam tief aus seiner Kehle. »Ich hätte nicht gedacht, dass Schickis so ein Wort benutzen.«
»Du hältst dich wohl für besonders schlau.« Doch Max konnte David seine Ironie nicht so recht vermitteln, da seine Lippen amüsiert zuckten. David war geschickt darin, ihn zum Lachen zu bringen.
»In Harvard habe ich so einiges aufgegabelt.«
»Höchstens ein paar Krankenschwestern aus dem Reha-Zentrum.«
»Irgendwie musste ich mir ja die einsamen Stunden vertreiben, während du in deinen Seminaren warst.«
»Du bist ein Volltrottel.«
»Uuuh, und du ein ganz harter Mann.«
Max wurde sachlich. »Sie sagte, ich wäre ihr nicht spontan genug.«
»Nun ja, da hat sie Recht.«
Max zog die Brauen noch dichter zusammen. »Verzeihung?«
»Du bist wirklich nicht spontan, Max. Sieh es ein. Du überlegst zu viel, verdammt noch mal.« David stand auf und klopfte sich den Staub von den Knien. »Ich muss jetzt los. Morgen muss ich drei Motoren reparieren.«
Max erhob sich ebenfalls und verzog das Gesicht, als der stets gegenwärtige Schmerz in seine Hüfte schoss. »Wie läuft das Geschäft?« Mit seinem Anteil an Großmutter Hunters Erbe hatte David sich eine eigene Werkstatt eingerichtet.
»Letztes Jahr haben wir Profit gemacht. Endlich.« David tat sehr geschäftig mit seinem Mantel und den Handschuhen. »Ach ja, du hattest noch eine Nachricht. Von einer Frau
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