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Eiskalt Ist Die Zaertlichkeit

Eiskalt Ist Die Zaertlichkeit

Titel: Eiskalt Ist Die Zaertlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Rose
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gestern gewesen.« Ihr Hinterkopf streifte beinahe seine Schulter, als sie an der Wand hochblickte, und die kleinste Bewegung war ausreichend, um sie zu berühren. Max trat einen winzigen Schritt nach vorn. Unter seiner Berührung spannten sich ihre Muskeln an, aber sie wich nicht zurück. Das verstand er als stillschweigende Aufforderung weiterzumachen.
    »Und?«
    Ach ja. Sein dreizehnter Geburtstag. Seine Gedanken waren von den Erinnerungen an die Vergangenheit zu Caroline abgeschweift, deren süßer Duft ihn in die Gegenwart zurückholte. Er stieß den Atem aus, den er unbewusst angehalten hatte. »Ich war dreizehn und hatte mir nichts sehnlicher als ein Mountainbike gewünscht. Mein älterer Bruder hatte eines, und seit seinem dreizehnten Geburtstag wünschte ich mir auch eines. Ich hatte die Hoffnung, dass Pop mir eines kaufen würde, war aber nicht ganz sicher. Als er Peter das Fahrrad gekauft hatte, war Ma strikt dagegen gewesen.«
    »Dann ist Peter wohl Ihr älterer Bruder.«
    »Genau, er ist fünf Jahre älter als ich und der Zwilling meiner Schwester Catherine.«
    »Zar Peter und Katharina die Große, wie?«
    Max nickte und ließ dabei seine Wange über ihre Schläfe streifen. Ihr Haar verfing sich in seinen Bartstoppeln. Er hörte die Belustigung in ihrer Stimme. »Sie sind sehr scharfsinnig. Mein Vater hat sich sehr für Geschichte begeistert. Jedenfalls hat er …«
    »Sie sprechen in der Vergangenheit?«, fiel Caroline ihm ins Wort, drehte sich um und blickte mit traurigen Augen zu ihm auf.
    Max räusperte sich. »Mein Vater ist vor zwölf Jahren bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen.«
    Sie blieb lange still und sah ihn nur an. »Sie haben ihn geliebt.«
    Ja
, dachte Max. So sehr, wie man einen Vater nur lieben konnte. Mehr noch. Aber er konnte und wollte diese Worte nicht aussprechen. Seine Kehle war wie zugeschnürt, als ihn plötzlich mit aller Macht die Erinnerungen überfielen.
    Caroline hob behutsam eine Hand und legte sie an seine Wange. »Dann haben Sie großes Glück gehabt.«
    Die sanfte Berührung war wie lindernder Balsam und riss die Barriere nieder, die sich zwischen ihnen aufgerichtet hatte. »Ja, das hatte ich wohl.« Da stand sie, sah zu ihm hoch, Mitgefühl und Zärtlichkeit in ihren blauen Augen.
    »Sie hatten es nicht, wenn ich Sie recht verstehe.«
    Sie nahm die Hand von seiner Wange. »Nein.« Sie lächelte gezwungen. »Erzählen Sie mir mehr von dem Mountainbike.«
    Das tat er. Er hätte alles getan, um den traurigen Blick aus ihren unglaublichen Augen zu vertreiben. »Ma hatte Angst, dass wir uns das Genick brechen würden, aber Pop war der festen Überzeugung, dass Jungen ein Ventil für ihre Energie benötigten. Wir aßen Kuchen und Eis, und ich konnte es kaum noch auf meinem Stuhl aushalten. Dann wollte Großmutter Hunter meine Größe messen und sie in ihre Wandtabelle eintragen, aber das passte mir nicht. Als ich ihr sagte, dass ich dafür zu alt sei, wurde sie ganz traurig. Ich habe es nie ertragen können, sie traurig zu sehen, also gab ich nach, trottete an diese Stelle und stand gehorsam still, während sie den Strich zog. Dann reckte sie sich zu mir hoch und flüsterte, ich wäre ein Mann geworden, dieses Jahr hätte sie mich zum letzten Mal gemessen.« Er schluckte bei der Erinnerung an das schmerzhafte Gefühl des Verlusts, das ihre Worte in ihm hervorgerufen hatten.
    »Weil Sie Achtung vor ihren Gefühlen gezeigt haben.«
    »Wie bitte?«
    »Sie waren ein Mann, weil Sie Achtung vor ihren Gefühlen gezeigt haben. Ein Junge hätte sich nicht so verhalten, wie Sie es getan haben, Max.«
    Der Schmerz in seinem Inneren wurde stärker. »Da mögen Sie Recht haben, aber so habe ich es noch nie betrachtet. Ich habe immer gedacht, das wäre der besondere Zauber des dreizehnten Geburtstags gewesen. Oder dass ich zu groß geworden war und sie meinen Scheitel nicht mehr erreichen konnte.«
    »Und haben Sie das Mountainbike bekommen?«
    »Ja. Ich bin nach draußen gerannt, und da stand es, funkelnagelneu. Pop hatte sich für mich durchgesetzt.« Er lachte leise. »Am nächsten Tag hat Pop mich mit einem gebrochenen Handgelenk ins Krankenhaus gefahren. Und Ma hat nicht ein einziges Mal gesagt: ›Wusste ich’s doch.‹«
    »Was für eine wunderbare Erinnerung.«
    Er blickte auf ihren Scheitel herab. In ihrem dunkelbraunen Haar glänzten die Reflexe des grellen Lichts der Flurlampe, und plötzlich wünschte sich Max gedämpften Kerzenschein herbei. Sein Gedanken an

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