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Eiskalt Ist Die Zaertlichkeit

Eiskalt Ist Die Zaertlichkeit

Titel: Eiskalt Ist Die Zaertlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Rose
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sie.
    »Wirklich?«, fragte er, und seine tiefe Stimme klang noch dunkler.
    Caroline sah ihm geradewegs in die Augen und nickte stumm, bevor sie den Blick auf seine Knöchel senkte, um ihre Untersuchung fortzusetzen. Sie hatte ihm durchaus zugehört, den ganzen Nachmittag über. Sie hatte auf jedes Aufsetzen seines Stocks gelauscht, wenn er in seinem Büro auf und ab schritt, sie hatte seine dunkle Stimme durch die Wand gehört, wenn er telefonierte. War hin und hergerissen zwischen der Erinnerung an Toms Wutanfall nach dem Spiel und an den wunderbaren Abend mit Max, als sie so viel miteinander gelacht hatten. Und genauso deutlich war die Erinnerung an das prickelnde Gefühl, als Max mit dem Daumen über ihre Lippe strich, diese winzige Zärtlichkeit, die sie bis ins Mark erschüttert, ihr kleine Schauer über den Rücken gejagt, sie noch lange danach nicht losgelassen hatte. An den winzig kleinen Kuss auf ihre Lippen, der, Gott steh ihr bei, vielmehr als den Wunsch nach einem gemeinsamen Essen in ihr geweckt hatte. Jetzt hockte sie sich auf ihre Fersen und blickte ihm ins Gesicht. Er hatte sie die ganze Zeit über versonnen betrachtet, während sie ihn untersuchte. Die Glut in ihren Wangen breitete sich in ihrem gesamten Körper aus.
    »Das Knie müssen Sie untersuchen lassen, Max. Haben Sie sonst noch Verletzungen?«
    »Ich glaube nicht. Höchstens mein Stolz ist verletzt.« Er verzog das Gesicht. »Und mein Steißbein. Mist.«
    Sie sah zu, wie er sich abmühte, um aufzustehen, und dann mit einem unterdrückten Fluch zurücksank. »Kommen Sie, ich helfe Ihnen beim Aufstehen.«
    »Das schaffen Sie nicht. Ich ziehe Sie höchstens zu mir herunter.« Er hob eine Braue, und sie sah trotz der Dunkelheit das freche Blitzen in seinen Augen. »Das ist doch eine Idee.«
    Sein Scherz bewirkte, dass sich ihre Nerven beruhigten und sich die lockere Kameradschaft wieder einstellte, die das Essen mit ihm und seinem verrückten Bruder so angenehm gemacht hatte. Sie lachte leise, erhob sich und verschränkte die Arme vor der Brust. »Das wäre einen Versuch wert, Max. Und als Nächstes werden Sie mir erzählen, dass Ihnen der Sprit ausgegangen ist. Kommen Sie, halten Sie sich fest.«
    Er betrachtete sie nun mit neuer Zuversicht, hielt sich an ihren Unterarmen fest, und mit gemeinsamer Anstrengung schafften sie es, dass er wieder auf die Beine kam. »Sie haben mal in einem Krankenhaus gearbeitet.«
    »Nein, aber ich habe reichlich Zeit in Krankenhäusern verbracht.« Sie hätte die Worte gern zurückgenommen, aber dazu war es zu spät. Über ihre Krankenhausaufenthalte hatte sie nie mit jemandem gesprochen. Nicht einmal Dana kannte alle Einzelheiten ihrer Verletzungen und der jeweiligen Genesungsprozesse. Die schmerzhaften Erinnerungen tief in sich zu vergraben erschien ihr die einzige Möglichkeit zu sein, am Leben zu bleiben, besonders in der ersten Zeit nach ihrer Flucht. Offenbar brachen einige dieser Erinnerungen sich jetzt Bahn und kamen an die Oberfläche. Vielleicht hatte Dana Recht. Vielleicht fing sie an, sich sicher zu fühlen. Aber vielleicht war sie auch einfach nur naiv, wie Tom es ihr vorgeworfen hatte. Der Gedanke tat ihr immer noch weh. Um sich davon abzulenken, wandte sie den Blick ab. »Hier ist Ihr Stock. Lassen Sie mich einen Schritt vorangehen, nur für den Fall, dass es hier noch mehr Glatteis gibt.«
    Er biss die Zähne zusammen und machte ein paar Schritte. »Ich dachte immer, Frauen müssten sechs Schritte hinter dem Mann gehen.«
    »Tja, das sind die Fallstricke unseres Fachbereichs. Lassen Sie die Vergangenheit hinter sich, Professor, und finden Sie sich im einundzwanzigsten Jahrhundert ein.« Als sie ihn statt einer Antwort nur etwas Unverständliches knurren hörte, sah sie sich über die Schulter hinweg nach ihm um. Er hielt sich mit schmerzverzerrtem Gesicht an einem Laternenpfahl fest. »Oder sollte ich sagen: Hören Sie auf, den Macho zu spielen, und lassen Sie mich Sie ins Krankenhaus bringen?«
    »Nicht ins Krankenhaus. Ich hasse diese verdammten Schuppen.« In der Erinnerung daran, wie sehr sie selbst Krankenhäuser hassen gelernt hatte, gab sie nach. »Gut, dann gestatten Sie mir, dass ich Sie nach Hause fahre.«
    »Nein. Wir gehen essen, und wenn es mich umbringt.« Er ging einen weiteren Schritt nach vorn und verzog das Gesicht. »Was durchaus der Fall sein könnte.«
    Caroline schüttelte den Kopf. Essen war für ihn im Moment nicht wichtig. Viel wichtiger war ärztliche Hilfe, aber sie

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