Eiskalt wie die Nacht: Thriller (Dicte Svendsen ermittelt) (German Edition)
Fotos?«
Sie nickte.
»Ihr Gesicht ist weg. Die Gesichtshaut ist buchstäblich abgezogen worden.«
»Ja, ich habe davon gehört. Und wann ist es passiert?«
Er hielt die Luft an.
»Nach Eintritt des Todes. Zum Glück.«
Mark ließ die Luft langsam entweichen.
»Und wie wollt ihr sie identifizieren? Ihr lasst das doch nicht die Eltern machen, oder?«
Sie schüttelte energisch den Kopf.
»Wir sind doch keine Barbaren! Wir finden schon einen Weg. Über den Zahnabdruck oder eine DNA-Analyse. Es sei denn natürlich, die Eltern bestehen darauf.«
»Das werden sie nicht tun, ich habe schon mit ihnen gesprochen.«
Ärgerlich sah sie ihn an und wollte ihm gerade darauf etwas entgegen, aber er kam ihr zuvor.
»Darf ich die Fotos sehen?«
»Das ist gegen die Vorschriften.«
»Scheiß auf die Vorschriften.«
Ihre Lippen öffneten sich leicht und ihr Mund bekam dadurch die Form, die er früher so sexy gefunden hatte: ihre weiche volle Unterlippe war das Erregendste, was er je gesehen hatte.
»Also gut, komm mit.«
Die Tauchergruppe hatte sich in einem der Konferenzräume zu einem Briefing versammelt. Aus dem Augenwinkel sah er die rothaarige Kir mit ihrem verschmitzten Lächeln und bekam schlagartig gute Laune, ohne genau zu wissen warum. Mit energischen Schritten klapperte Anna in den Raum, der eine temporäre, improvisierte Kommandozentrale darstellen sollte. Martin Nielsen und vier weitere Ermittler grüßten ihn verhalten und Mark nahm an, dass sie von seinem Gespräch mit Peter Boutrup wussten.
An einer großen Tafel waren alle Informationen aufgehängt worden, die in den beiden Fällen zur Verfügung standen. Ein Foto zeigte Ramses Bilal am Strand liegen, der den Betrachter mit einem Auge ansah. Auf einem anderen lageine nackte Frauengestalt auf einer Bahre. Ihr Gesicht war eine einzige Wunde.
Mark betrachtete die Aufnahme der toten Frau. Sie war groß und schlank, fast dünn. Ihre Beine waren unversehrt und lagen ausgestreckt auf der Unterlage. Mark trat näher heran und drehte sich dann zu Anna Bagger um.
»Ich bin nicht so sicher, ob das wirklich Nina Bjerre ist.«
»Jetzt hör aber mal auf, Mark. Größe und Körperbau stimmen mit Nina Bjerre überein. Das kann nur sie sein.«
Anna beugte sich zu ihm und flüsterte ihm ins Ohr: »Hör auf, alles unnötig kompliziert zu machen.«
Tat er das wirklich? Erneut betrachtete er das Foto der Toten eingehend. Vielleicht hatte sie ja Recht. Vielleicht hatten sich Ninas O-Beine im Laufe der Zeit gestreckt. Denn wenn sie es tatsächlich nicht war, wen hatten die Taucher dann aus dem Hafenbecken gefischt?
K APITEL 24
Stinger hatte in allen Körperöffnungen meterlange Schläuche und war an ein Beatmungsgerät angeschlossen.
Er sah so klein aus in dem riesigen Krankenhausbett. Seine dünnen Dussel-›Freddy‹-Duck-Haare klebten am Kopf und betonten den großen rasierten Fleck auf seinem Schädel. Seine verkrusteten und tätowierten Hände wanderten unruhig auf der Decke hin und her, als wollten sie etwas erzählen. Sein Gesicht war bis zur Unkenntlichkeit entstellt. Sie hatten ihn zusammengeschlagen und im Kellerschacht liegen lassen. Seine Schwester hatte ihn am frühen Morgen gefunden, als sie wegen eines plötzlichen Stromausfalls mit der Taschenlampe bewaffnet den Hausmeister im Erdgeschoss wecken wollte.
»Er hat immer wieder deinen Namen gesagt. Das waren seine ersten Worte. Darum habe ich dich auch sofort angerufen.«
Ihre Augen waren tränenblind, die Mascara verlaufen. Mit ihrem enormen Körperumfang und dem ansonsten ziemlich blassen Gesicht sah sie aus wie ein trauriger Pandabär. »Aber jetzt sagt er gar nichts mehr.«
Peter spürte, dass er ihr etwas Beruhigendes sagen sollte, aber er wusste nicht was. Sie war so wuchtig und versteckte sich hinter ihren Fettschichten, dass es ihm unmöglich war, zu diesem Teil von ihr vorzudringen, mit dem er gerne Kontakt aufgenommen hätte.
»Er kann nicht«, sagte er. »Wenn er könnte, würde er sprechen.«
Die Ärzte hatten gesagt, sie sollten geduldig sein. Also blieben sie neben dem Bett sitzen und flüsterten miteinander. Auf einem Stuhl am Fenster saß Elisabeths Freundin, die Peter vor ein paar Tagen in ihrer Wohnung gesehen hatte. Ihre Augen waren noch geschwollen, die Lippen aufgeplatzt, der Blick verletzt und verstört. Beim Anblick von Stinger fragte er sich, ob er jemals wieder ein Wort würde sagen können.
»Das war gut, dass du mich angerufen hast«, sagte Peter.
Viel sprachen sie
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