Eiskalt wie die Nacht: Thriller (Dicte Svendsen ermittelt) (German Edition)
Freude, wenn die Segler anlegten und ihre Boote als Sommerhäuser benutzten. Jetzt hatte alles und jedes sich vor der Kälte zurückgezogen.
Während sie durch den Hafen lief, kehrte das ungute Gefühl immer wieder: Irgendetwas stimmte nicht. Und zwar mit der Leiche, die sie gefunden hatte. Mit der Art, wie der Körper dort unten angebracht war. Sie hatte etwas anderes erwartet, allerdings, hatten sich ihre Erwartungen schon jemals erfüllt?
Sie sah die Gummiboote ihrer Kollegen im Hafenbecken aufbrechen. Zwei Taucher saßen an Bord. Sie musste noch auf ihren Einsatz warten. So war der Job nun einmal, auch wenn das den uninteressantesten Aspekt davon darstellte. Das Beste war, wenn man für eine Aufgabe ausgesucht wurde. Sie sah zu, wie die beiden sich rückwärts vom Bootsrand fallen ließen. Sie hatte zwar die Leiche gefunden, aber die Suche war noch nicht abgeschlossen. Es gab noch mehr, viel mehr. Sie würde auch noch drankommen.
Der Hafen hatte sich im Laufe der Jahre sehr verändert. Sie erinnerte sich an die Tage im Sommer, an denen sie ihren Onkel Hannibal begleitet hatte. Er hatte sich mit den Fischern unterhalten oder sich mit jemandem zu einem Tauchgang verabredet. Damals war der Fischereihafen von Grenå bedeutsam gewesen, die Kutter hatten Seite an Seite festgemacht im Hafenbecken gelegen, wenn sie nicht auf dem Meer waren. Auch die Anzahl der Fähren war wesentlich höher gewesen, aber sie hatten die Route nach Hundestedvor langer Zeit eingestellt. Geblieben war die Verbindung nach Varberg in Schweden, sie wurde aber hauptsächlich zu Handelszwecken genutzt. Wenn die Fähre im Hafen lag, standen meistens Lastwagen in einer langen Schlange, um an Bord zu kommen. Selten hatte Kir Reisende mit Koffern, Rucksäcken oder Kinderwagen gesehen. Das lebhafte Gewimmel von früher gab es schon lange nicht mehr. Viele hatten ihren Job verloren, weil die Firmen in der Gegend hatten schließen müssen. Aber ein paar Tapfere hielten noch die Stellung.
Drei Frauen kamen mit Plastiktüten und weißen Plastikbehältern aus dem Personaleingang der Fischfabrik und liefen an ihr vorbei. ›Thorfisk‹ war die größte am Hafen ansässige Firma und viele der Wagen auf dem Parkplatz trugen den Firmennamen, weiße PKW sowie große Kühlwagen, ebenfalls in Weiß und mit dem charakteristischen Logo eines blauen Fisches versehen. Ebendiese Kühlwagen transportierten den vakuumverpackten Fisch in die Supermärkte, von wo aus sie in den Einkaufskörben der Kunden landeten.
»Ah, ›Thorfisk‹ – das ist doch der Klang unserer Geburtsstadt, nicht wahr?«
Sie drehte sich um und sah den schwarzhaarigen Polizisten auf sich zukommen. Die Sonne hatte sich durch die Wolken gedrängt und ließen die Schneeflocken in seinen Haaren und auf den Schultern glitzern. Er streckte ihr die Hand entgegen und stellte sich formvollendet vor, was im Widerspruch zu seiner langhaarigen Erscheinung stand.
»Mark Bille Hansen. Sind wir nicht auf dieselbe Schule gegangen?«
Sie nickte, fühlte sich aber unwohl unter seinem prüfenden Blick.
»Ja«, antwortete sie und wusste nicht recht, was sie sonst noch sagen sollte.
»Du hast die Leiche gefunden, stimmt’s?«
Sie nickte erneut, jetzt war sie wieder auf sicherem Terrain. Er ging weiter und sie folgte ihm ganz automatisch. Ab und zu schlug er die Arme um sich.
»In dieser Kälte muss man sich bewegen. Was hältst du eigentlich von dem Fund? Wie muss man sich das vorstellen?«
Damit hatte er ihren wunden Punkt berührt, dass sie irgendetwas an diesem Mord nicht begreifen konnte. Sie hätte so gerne etwas Kluges gesagt, aber wie so oft bekam sie die richtigen Worte nicht zu fassen, ehe er fortsetzte.
»Sie war ja gefesselt. Sehr sorgfältig, so weit ich das verstanden habe. Und dann noch an einen Anker gebunden?«
Er sah sie an, als ob er eine Bestätigung erwartete. Ihr schoss der Gedanke durch den Kopf, dass er gar nicht der zuständige Ermittler war und doch strahlte er diese Selbstverständlichkeit von Polizisten aus, die das Recht hatten, jeden Stein umzudrehen.
Sie begnügte sich mit einem erneuten Nicken.
»Aber warum bloß? Warum hat er ihr das Gesicht abgezogen?«
Seine Stimme gewann an Nachdruck. »Und warum wurde sie nicht einfach ins Hafenbecken geworfen? Das muss ja vorher an einem Ort vorbereitet worden sein, ehe sie dort versenkt wurde. Hatten die wirklich so viel Zeit, ihr all das anzutun? Der Anker? Das Seil?«
Er hatte das eine Wort gesagt, nach dem sie die ganze Zeit
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