Eiskalte Rache: Thriller (German Edition)
wieder allein war, saß er lange reglos da, ohne so recht zu wissen, was er tun sollte. Er dachte darüber nach, wie sehr ein lange zurückliegendes tragisches Ereignis die Geschicke vieler Menschen beeinflusst hatte.
Vom Schicksal Gabriel Marklunds wechselten seine Gedanken zum Brand und der Leiche, die sie anschließend im Adlerhorst gefunden hatten. Er sah auf seine Uhr. So wie er Ulla Fredén kannte, würde er sie auch noch zu dieser späten Stunde in der Gerichtsmedizin erreichen. Er zog sein Handy hervor, beschloss dann aber, persönlich bei ihr vorbeizuschauen, und schob es wieder in die Tasche.
Als er durch den Tunnel unter dem Präsidium ging, empfand er wie immer ein leichtes Unbehagen. Obwohl die Unterführung nicht nur die Gebäude miteinander verband, sondern auch als Fluchtweg dienen sollte, war sie schlecht beleuchtet. Überall lagen vergessenes Baumaterial und Dinge, die nirgendwo hinzuzugehören schienen, herum. Er beschleunigte seine Schritte und stolperte in der Dunkelheit beinahe über einen Stapel Türen, der an der Wand lehnte. Holtz war überaus erleichtert, als er endlich den Fahrstuhl erreichte und mit diesem in eine Welt aus grellem Licht, rostfreiem Stahl und Tod fuhr.
Er sah durch das dicke, grünliche Glas der Tür. Die drei Seziertische waren sauber und glänzten frisch abgespritzt. Er überlegte, wie es wohl war, seine Arbeitstage in diesem Raum mit den weißen, kahlen Wänden und dem schmutzgelben Klinkerfußboden zu verbringen.
Es brannte Licht, und Holtz vermutete, dass noch jemand da war, aber er entdeckte niemanden. Er klopfte an die Glastür. Niemand erschien. Er klopfte erneut und stellte sich ganz dicht an die Scheibe, um besser in den Sektionssaal blicken zu können.
»Hallo Ulf.«
Hastig drehte er sich um und hatte das Gefühl, sein Herz schlüge doppelt so schnell.
»Habe ich dir einen Schrecken eingejagt?«, fragte Ulla Fredén mit einem leichten Lächeln in den Mundwinkeln.
»Was? Überhaupt nicht«, erwiderte er, aber es war ihr anzumerken, dass sie ihm nicht glaubte.
»Komm mit rein.« Nachdem sie ihren Dienstausweis vor das Lesegerät gehalten hatte, gab sie eine Zahlenkombination in das Codeschloss ein.
Die Tür glitt zur Seite, und Holtz folgte Ulla Fredén in den Seziersaal, in dem es stark nach Putzmitteln roch.
»Ich wollte nur mal hören, wie weit ihr mit dem Brandopfer seid«, sagte er.
Sie nickte, trat an eine dicke Stahltür und öffnete diese. Im Kühlraum war Platz für vier Bahren auf Rädern. Jetzt standen aber nur zwei dort. Sie zog eine heraus, schloss die Tür des Kühlraums wieder und bat Holtz, näher zu treten.
Der Tote lag unter einer blauen Plastikfolie, und Holtz hielt das aus irgendeinem Grund für eine unpassende Farbe, um eine Leiche abzudecken. Bei Blau dachte er an eine Bootpersenning.
»Du hast die Leiche ja gesehen, deshalb ist dir sicher klar, dass sich bei derartigen Verbrennungen die Todesursache nicht mehr feststellen lässt. Aber wir wollen mal sehen.« Behutsam hob sie die Folie an.
In dem kalten Licht sah der Leichnam fast noch weniger menschlich aus als an der Brandstätte. Die Haut war schwarz und dunkelbraun und an den Stellen, wo sie nicht aufgeplatzt war, so straff gespannt wie ein Trommelfell. Mit bloßem Auge war nicht zu erkennen, wie groß die Person vor ihrem Tod gewesen war, da die Beine angezogen waren. Holtz war erleichtert, dass er das Gesicht nicht sehen konnte. Der Kopf war zwischen die Armen geklemmt, als wollte sich das Opfer noch im Tod vor dem Licht schützen.
Ulla Fredén breitete wieder die Folie über die Leiche.
» DNA ?«, fragte Holtz. Plötzlich hatte er den Eindruck, wieder freier atmen zu können.
»Die haben wir eingeschickt, aber noch kein Ergebnis vorliegen. Ich kann aber schon jetzt sagen, dass es sich um einen Mann Anfang zwanzig handelt, der noch am Leben war, als das Feuer ausbrach. Rußspuren im Rachen. Aber dies kann vielleicht doch einige Unklarheiten beseitigen«, sagte sie und ließ ihre Finger über eine Tastatur tanzen, die sich auf einem Tisch an der Wand befand.
An der Schmalseite des Saals glitt eine Leinwand aus der Decke, und ein Foto des Toten erschien.
»Ich habe eine virtuelle Obduktion durchgeführt, bevor wir den Leichensack geöffnet haben, da ich keine Ahnung hatte, in welchem Zustand sich der Leichnam befinden würde.« Sie ging wieder auf die Tastatur los. »Zum Glück, denn die Haut war teilweise so hart, dass sie sich nicht schneiden ließ. Stellenweise
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