Eiskalte Rache: Thriller (German Edition)
Holtz einen fragenden Blick zu. Dieser schüttelte nur den Kopf.
Holtz’ Protesten zum Trotz hatten sie eine Besprechung mit Levin im Personalrestaurant angesetzt. Er weigerte sich, dieses Etablissement zu frequentieren, aber Brandt hatte sie einladen wollen, so war es zumindest nicht sein Geld, an dem sich der Pächter mit seinem lausigen Angebot bereicherte.
»Wollt ihr was?«, fragte Brandt.
»Nein danke.« Levin nagte weiter an ihrem Apfel.
»Eine Tasse Tee und ein Marzipangebäck«, sagte Holtz.
»Gesund«, meinte Brandt und begab sich zum Tresen.
Als sie mit dem giftig grünen Gebäckstück, einer Tasse warmem Wasser und einem Teebeutel zurück war, bat sie Levin darum, zu erzählen.
Pia Levin legte das Kerngehäuse ihres Apfels auf Holtz’ Teller und räusperte sich.
»Um es kurz zu machen: Ich war über drei Stunden lang bei Thord Seger und habe erfahren, dass sein Sohn vor fast zwanzig Jahren verurteilt wurde, weil er sein eigenes Kind schwer misshandelt hat. Er stritt natürlich alles ab, wurde aber trotzdem zu einer einjährigen Jugendstrafe verurteilt. Eine verdammt kurze Strafe, finde ich«, sagte sie voller Verachtung. Dann sammelte sie sich und erzählte Thord Segers Geschichte seines Sohnes.
Es war ein ungewöhnlich regnerischer Sommer, aber das war Johan Seger gleichgültig. Nichts schien dem Jungen etwas anhaben zu können. Alle staunten über seine Gabe, alles immer positiv zu sehen. Statt darüber zu klagen, dass der Kiosk, in dem er im Sommer immer jobbte, wegen des schlechten Wetters geschlossen hatte, verbrachte er fast seine ganze Zeit mit Segeln. Je stärker der Wind, desto eiliger hatte er es morgens. Zwei Brote, ein Glas Milch, dann radelte er rasch zum Hafen und zu seinem Boot.
Er hatte das Boot von seinem eigenen Geld gekauft, größtenteils jedenfalls. Seine Eltern hatten gefunden, er habe so fleißig gespart, dass sie ihm den Rest dazugaben. Einen Transportkarren erhielt er als Dreingabe. Auf diesem konnte er, wenn er den Mast abgenommen hatte, das Boot von ihrem Haus zum Hafen ziehen. Aber meist ließ er die hellblaue Jolle über Nacht neben den anderen Jollen liegen. Noch nie war ein Boot gestohlen oder zerstört worden.
Wenn Johan Seger nicht segelte oder an seinem Boot werkelte, fand man ihn meist mit einer Angel am äußersten Ende des Piers. Niemand warf die Leine so weit aus wie er.
Es kam auch vor, dass er mit einem der Mädchen aus dem Ort zusammen war, aber nie längere Zeit, und von einer Beziehung konnte keine Rede sein. Seine blonden Haare, die ihm in die Stirn hingen, seine fast dauernde Sommerbräune und sein durchtrainierter junger Körper waren nur einige der Gründe, warum er bei den Mädchen so beliebt war. Glaubte seine Mutter zumindest. Sie war der Meinung, dass seine Attraktion vor allem darin bestand, dass er sich nicht um Mädchen zu kümmern schien und sie gerade dieses sonnengebräunte Desinteresse so anziehend fanden.
Sie interessierten ihn einfach nicht.
So war er zumindest, bis Petra auf der Bildfläche erschien.
Petra Jonsson wohnte in der Stadt, war von ihren Eltern jedoch gezwungen worden, sie in ein kleines Sommerhaus zu begleiten, das sie am Ende des Weges gemietet hatten, der aus dem Dorf führte. Ein kleines, heruntergekommenes Haus mit Ziegeldach und der Schmalseite zum Meer.
Petra war anders als alle Mädchen im Dorf. Störrisch, bleich und immer schwarzgekleidet hielt sie sich im Schatten auf. Sie war immer zu dick angezogen und trug eine Menge seltsamen Schmuck sowie Aufnäher auf den Kleidern. Niemand wollte etwas mit Petra zu tun haben, aber das schien ihr egal zu sein, und ihre Eltern mischten sich nicht ein. Sie waren genug mit sich selbst beschäftigt. Der Sommer an der Küste sollte ihre bereits seit langem für tot erklärte Ehe retten.
Viele konnten jedoch bezeugen, dass Sommerferien in einer heruntergekommenen Häuslerkate nicht unbedingt die Medizin war, die sie brauchten. Die ständigen, lautstarken Streitereien wurden von den Meerwinden überall hingetragen und waren weithin zu hören.
Eines Morgens, als Johan Seger wie immer zum Hafen geradelt war, sah er, dass jemand in seinem Boot saß. Eine schwarzgekleidete Gestalt, die sich mit einem Werkzeug zu schaffen machte. Ihn packte die Wut. Die Person, die in seinem Boot saß, schien etwas in das Plastik zu ritzen.
In sein Boot.
Er warf sein Fahrrad auf die Erde und rannte auf die dunkle Gestalt zu.
Petra Jonsson blieb reglos sitzen. Sie versuchte gar nicht zu
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