Eiskalte Rache: Thriller (German Edition)
Vorgesetzten ließe sich durchaus als Dienstbesprechung bezeichnen.
»Kein Problem, ich bin gerade erst gekommen«, antwortete Hermine Vogel lächelnd.
»Komm rein.« Levin öffnete ihrer Kollegin die Tür.
Von Vogel ging ein frischer Duft aus, vielleicht Aloe Vera. Ihre Haut war rosig und das Haar feucht.
»Ich komme gerade aus der Sauna. Das ist die einzige Methode, um den Geruch loszuwerden.« Sie nahm auf Levins Besucherstuhl Platz.
»Das kann ich mir vorstellen. Ich hatte das Gefühl, dass ich noch tagelang nach Grillparty roch, nachdem Holtz und ich im Adlerhorst waren, und da denke ich natürlich an den Rauchgeruch und nicht an …«
»Ich verstehe schon«, fiel ihr Vogel ins Wort und kam dann zur Sache. »Die Brandstätte war ja ziemlich verwüstet, aber ich habe trotzdem einiges zu berichten. Du bekommst es dann auch noch schriftlich. Ich fand aber, dass ich schon mal einen mündlichen Bericht liefern könnte.« Sie nahm den Kaugummi heraus und sah sich nach einer Möglichkeit um, ihn wegzuwerfen, besann sich dann aber und steckte ihn wieder in den Mund. Sie klappte das Notebook auf und drehte es in Levins Richtung.
Pia Levin musterte sie, während sie das Programm hochfuhr. Hermine Vogel hatte etwas Mädchenhaftes. Ihre Mundwinkel umspielte ein Lächeln, als dächte sie ständig an etwas Lustiges. Neidisch stellte Levin fest, dass ihre Nägel kurz, unlackiert und sehr gepflegt waren, während sie Hermines Finger betrachtete, die rasch über die Tastatur huschten.
»Dann wollen wir mal sehen. Hier sind die Räume«, sagte sie, und ein dreidimensionales Bild des Adlerhorstes erschien auf dem Monitor. »Ich habe einen möglichen Brandverlauf aufgezeichnet und bin dabei davon ausgegangen, dass das Feuer hier begann. Alles spricht dafür.« Sie deutete auf das Zimmer hinter der Küche, den Unterrichtsraum.
»Und was genau deutet darauf hin?«
»Schau hier.« Hermine zauberte mit einem Mausklick ein paar Bilder auf den Monitor. Sie sahen fast alle gleich aus, aber als Levin genauer hinblickte, erkannte sie ein schwarzes, umgekehrtes V an der Wand.
»Was bedeutet das?«
»Das ist ein typisches Indiz für einen Benzinbrand. Außerdem habe ich gewundene Brandspuren auf dem Fußboden gefunden, nachdem wir alles Wasser abgepumpt hatten, die auch auf vergossenes Benzin schließen lassen. Weiterhin habe ich zwei Klumpen geschmolzenes Plastik gefunden, wahrscheinlich Benzinkanister«, sagte sie und deutete auf den Bildschirm. »Aber um ganz sicher zu sein, habe ich flüchtige Stoffe aus einem Stück Fußboden analysiert, das sich unter einem verkohlten Teppich befand. Die gaschromatographische Analyse ergab deutliche Benzinspuren.« Sie startete den Rekonstruktionsfilm.
Pia Levin verfolgte das animierte Geschehen auf dem Bildschirm. Eine Gestalt, die direkt einem Computerspiel entsprungen zu sein schien, bewegte sich mit Kanistern in beiden Händen durch den Raum. Grün markiert sah man dann, wie sich das Benzin im Raum verteilte. Bald züngelten Flammen hoch. Der gesamte Brandverlauf ließ sich am Bildschirm verfolgen. Innerhalb weniger Sekunden brannte alles lichterloh, und das Feuer griff auf die benachbarten Räume über. Als alles in Flammen stand, stoppte der Film.
»Die Plastikklumpen, die ich für die geschmolzenen Kanister halte, habe ich hier und hier gefunden.« Hermine zeigte auf den Monitor. »Wie du siehst, ganz in der Nähe der Leiche.«
»Was heißt das?«
»Meine Theorie ist, dass der Tote derjenige ist, der das Feuer gelegt hat. Vermutlich entwickelte sich der Brand schneller, als vom Brandstifter erwartet. Entsetzt hat er oder sie sich dann unter den Tisch geflüchtet.«
»Ist das wahrscheinlich? Läuft man nicht weg, wenn es zu brennen beginnt?«
»Nur sehr wenige Menschen reagieren rational, wenn sie in Panik geraten.«
»Dafür könnte es aber auch andere Erklärungen geben«, sagte Levin.
»Und woran denkst du?«
»Er könnte sich unter den Tisch gelegt haben, obwohl ihm bewusst war, was geschehen würde.«
»Du meinst, Selbstmord?«
»Warum nicht? Oder könnte es sich auch um eine Brandstiftung mit der Absicht, ein anderes Verbrechen zu verschleiern, gehandelt haben.«
»Einen Mord?«
»Ja. Oder schwere Körperverletzung. So ungewöhnlich ist das ja nicht.«
»Nein, allerdings nicht. Da habt ihr ja noch einiges zu tun. Was sagt der Gerichtsmediziner über die Leiche?«
»Bislang noch gar nichts. Und Holtz hat schon, als wir sie gefunden haben, festgestellt, dass sich
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