EISKALTER SCHLAF: Poesie des Bösen: Thriller (German Edition)
irgendetwas sagen, Anna?“
„Es sind diese Kopfschmerzen“, log sie. „Sie werden immer heftiger.“ Sie strich eine lange blonde Haarsträhne aus dem Gesicht.
„Hast du deshalb vorhin die Tabletten genommen?“
Sie seufzte. „Es gibt ein Leben jenseits der Therapie, Max“, sagte sie mürrisch, ging zum Fenster und starrte gedankenverloren in die Dunkelheit der sternklaren Nacht.
Plötzlich hörte sie ein Geräusch, das von den Büschen kam: ein dumpfer Aufprall oder der Wind, der in den Bäumen rauschte. Sie versuchte, das Gefühl, beobachtet zu werden, abzuschütteln. Vielleicht hatte sie nur einen Ast gehört, der auf die Erde gefallen war.
Sie drehte sich um. Max war bereits ins Schlafzimmer gegangen. Sie konzentrierte sich auf das Rauschen des Meeres und glaubte in der Ferne im blassen Mondlicht die Brandung zu sehen.
Später öffnete sie im Schlafzimmer das Fenster und schaute noch einmal in den Garten. Am Himmel glitzerten unzählige Sterne. Sie blickte zu den Büschen. Da, dachte sie. Da war es wieder! Knackende Zweige, als würde jemand drüben über den Rasen gehen.
Sie hatte sich zu sehr in Sicherheit gewähnt, als könnte niemand herausfinden, wo sie sich zurzeit aufhielt. Jakob war ihr damals schon nach Italien gefolgt. Oder war das vielleicht nur Einbildung gewesen? Sie schloss rasch das Fenster und setzte sich aufs Bett.
„Jemand beobachtet das Haus, Max. Ich kann ihn fühlen“, flüsterte sie.
„Niemand beobachtet das Haus, Anna. Und wenn schon. Bei mir bist du in Sicherheit.“
Sie unterdrückte einen Fluch und verfolgte mit zusammengekniffenen Augen, wie er aus dem Bad mit einem Glas Rotwein in der Hand durch das Schlafzimmer auf sie zukam. Ihre Welt schien sich zu verdunkeln, und er nahm sie auf den Arm. Er hatte das Talent, ihr manchmal das Gefühl zu geben, sich völlig lächerlich zu machen. Wie in diesem Moment, als er sich neben sie auf den Rand des hohen, breiten Bettes sinken ließ, das Glas abstellte, sanft ihr Kinn umfasste und sie zwang, ihm ins Gesicht zu sehen.
„Ich bin hoffnungslos in dich verliebt, noch immer, und das nach all den Jahren.“
Genau das war der Punkt: Dieser Mann mit den heiteren Augen und dem kraftvollen, attraktiven Aussehen brachte sie mit seiner Liebe vollkommen um den Verstand.
***
Anna erwachte durch ein Geräusch, das ihr seltsam vertraut vorkam, und schaute auf die Uhr. Es war vier Uhr morgens. Sie verharrte in vollkommener Dunkelheit bewegungslos unter der Decke und dachte: Wenn du jetzt das Licht einschaltest, wird Jakob dich sehen können, wird er wissen, dass du wach bist, und dich umbringen . Eine nagende Angst machte ihr zu schaffen. Für einen Moment explodierten Farben hinter ihren Augen, ein blutiges Rot in allen Schattierungen. Die Angst fuhr ihr in alle Glieder.
Mit der linken Hand tastete sie nach dem Nachttisch, öffnete die Schublade und griff nach Max’ Pistole, einer kompakten Walther PP. Sie wusste nicht mehr, ob er die Waffe geladen hatte, daher schob sie sie unter die Bettdecke und zog das Magazin heraus. Sie ertastete das erste Teilmantelgeschoss, bereit, abgefeuert zu werden.
Sie blieb noch einen Moment liegen, um ihre Augen an die Dunkelheit zu gewöhnen, dann setzte sie die Füße auf den Parkettboden, kroch zum Fenster, schob die Gardine beiseite und spähte in die Nacht. Ihr Herz schlug heftig. Draußen setzte Nieselregen ein.
Plötzlich blitzte drüben an der Pinie für einen Moment ein Licht auf. Sie neigte den Kopf, als lausche sie einer inneren Stimme, und starrte in Richtung Pinie. Einen Moment schloss sie die Augen. War sein Schatten nicht schon einmal aufgeblitzt, heute, als sie mit Katharina auf dem Spielplatz gewesen war? Und sie hatte geglaubt, sein Kichern zu hören, aber es war so schnell verhallt, wie es aufgetaucht war. Sie hatte sich umgeschaut. Nichts.
Aber er war da. Sie war sich sicher. Jetzt war es wieder still, totenstill. Ihre Augen zuckten unter den Lidern. Sie fühlte sich wie … ja, wie damals in dem dunklen Raum … Sein Atem kam näher, und das Geräusch wispernder Stimmen umfing sie. Ihr Herz raste.
„Jakob?“, flüsterte sie. Sie öffnete die Augen, und dann sah sie ihn hinter dem Baum, unten im Garten. Riesige, glühende Augen starrten sie aus der Ferne an. Ihr Körper wurde von heftigem, hysterischem Zittern geschüttelt.
Sie richtete die Waffe in die Finsternis.
„Jakob!“, zischte sie. „Sehe ich etwa ängstlich aus? Komm raus! Du wirst den Schmerz fühlen, noch
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