EISKALTER SCHLAF: Poesie des Bösen: Thriller (German Edition)
bevor du den Knall hörst, du widerliches Schwein! Hast du das verstanden?“
Sie grinste, und dann drückte sie ab und leerte das ganze Magazin in die Richtung, in der sie ihn vermutete.
***
Auf dem Rücken liegend, schreckte Max Gavaldo aus tiefem Schlaf hoch. Es dauerte einige Sekunden, bis er die Pistole sah, die Anna soeben auf den Holzboden hatte fallen lassen. Und es dauerte weitere Sekunden, bis er klar denken konnte und begriff, dass sie soeben vom Schlafzimmerfenster in den Garten geschossen und dabei das gesamte Magazin geleert hatte.
„Es ist ein Schmerz“, hörte er sie flüstern, „der alles auf deiner Bahn auslöscht.“
Max’ Puls raste vor Entsetzen. „Was … hast du getan, Anna?“, fragte er mit zitternder Stimme.
Plötzlich herrschte Grabesstille im Raum. Anna taumelte und sank zitternd zu Boden. Ihr Blick war verwirrt. Verzweifelt schlug sie die Hände vors Gesicht.
„Wenn du je mehr sein möchtest, als du bist, dann musst du bereit sein, dich neu zu erschaffen“, flüsterte sie. „Das hat er gerade zu mir gesagt, Max. Und da habe ich auf ihn geschossen.“
Er sprang aus dem Bett, eilte zu ihr und kniete sich vor sie hin.
„Um Gottes willen, wer hat das gesagt, Anna?“
Sie schaute ihn aus irren Augen an, dann zeigte sie auf einen Baum im Garten. „Da hat er gestanden, wie damals, als wir Katharina im Convento haben taufen lassen. Ich wusste immer, dass er nicht tot ist.“
„Anna, damals stand dort niemand. Das hat Jörg Kreiler dir doch erklärt. Das war eine Halluzination. Und auch heute ist niemand dort unten im Garten. Du darfst dich nicht an die Vergangenheit klammern!“
„Nein! Nein! Er hat die gleichen Worte benutzt. Ich erinnere mich ganz genau.“
„Komm, beruhige dich bitte, Anna.“ Max nahm ihre Hände, zog sie hoch und führte sie zum Bett.
„Ich habe ihn getroffen, Max“, sagte sie finster. „Er hat gejault wie ein Hund.“
„Du nimmst jetzt eine Beruhigungstablette und versuchst, ein bisschen zu schlafen. Ich gehe in den Garten und sehe nach, ob da etwas ist.“
„Nein“, flüsterte sie. „Lass mich jetzt nicht allein.“
„Beruhige dich. Ich werde dir beweisen, dass da nichts ist. Ich bin gleich wieder zurück.“
Katharina kam barfuß ins Schlafzimmer, das Gesicht vom Schlaf gerötet. Anklagend hatte sie ihre Mundwinkel heruntergezogen. „Ich bin wach geworden“, piepste sie.
Max nahm sie in den Arm. „Tut mir leid, Süße.“
„Was ist, Papi?“
„Nichts. Überhaupt nichts. Mami hat nur schlecht geträumt. Aber jetzt ist alles wieder in Ordnung. Komm, ich bringe dich zurück ins Bett.“
Anna musterte Max kurz und sah in seinem Blick, dass er sie für verrückt hielt.
Als er in den Garten ging, griff sie zum Telefon und wählte die Nummer von Jörg Kreiler.
Später, als ihre Tränen versiegt waren, schaute sie nach Katharina, die sich mit einem zufriedenen Seufzer auf die Seite drehte, und setzte sich in den Schaukelstuhl. Ihr Gesicht war weißer als das einer Porzellanpuppe, die sonst so strahlend blauen Augen waren blutunterlaufen.
„Getupft“, flüsterte sie und schaute zum Regal. Es stimmt, dachte sie, während Katharinas Plüschtiere sie stumm von ihren Plätzen auf dem Regal beobachteten. Die Viecher meiner Tochter sind tatsächlich alle getupft.
Jörg Kreiler hatte ihr diese Biester geschenkt. Das Mädchen aber spielte nur mit Jasper, dem alten Stofftier ihrer Mutter. Sie hatte Katharina häufig dabei beobachtet, wie sie den alten Teddy streichelte, ihre Nasenspitze an sein rechtes Ohr presste und ihm dabei ihre kleinen Geheimnisse anvertraute. Aber auch wie sie ihm ihr Leid geklagt und vergeblich in Jaspers schwarzen Augen nach einer Antwort auf ihre Fragen gesucht hatte. Alles wiederholt sich im Leben, dachte Anna.
Getupft! Ein seltsames Wort, das eine gewisse Kraft zu haben schien, sofern das überhaupt möglich war, und wenn ja, dann stand diese Kraft nicht nur für das Gute. Gefleckt war gut, gesprenkelt schon ein wenig hässlicher, aber getupft war irgendwie anders, obwohl sie nicht sagen konnte, warum.
Getupft, getupft, hatte Jakob gesagt.
Vielleicht sollte sie Katharina einen getupften Teddybären schenken. Das hätte Jakob gefallen.
Kapitel 8
München – Nacht von Sonntag auf Montag
Für einen Chefarzt der Neurochirurgie und Psychiatrie des Kreiskrankenhauses München-Bogenhausen waren der Dienst und die Visite am Abend normalerweise ein Segen, doch heute Abend sollte sich Jörg Kreiler darin
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