EISKALTER SCHLAF: Poesie des Bösen: Thriller (German Edition)
ab, sondern hielt den Blick und schenkte dem Kind ein kurzes Lächeln. Anna erkannte ihre Tochter Katharina.
Schweißgebadet wachte sie auf. Ihre Lider zuckten und öffneten sich. Der Wecker auf dem Nachtschränkchen zeigte achtzehn Uhr. Sie musste sich beeilen. In einer Stunde würden ihre Freunde eintreffen. Sie war schon den ganzen Tag müde und hatte große Mühe, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Eine nagende Angst hatte ihr tagsüber zu schaffen gemacht. Und jetzt dieser Traum! Wieso träumte sie auf solch seltsame Weise von ihrer Tochter? Es schien ihr unwirklich, dass ihr Leben auf zwei Gleisen weiterging. Sie hatte heute ein Abendessen für ein paar Freunde zubereitet, stand Todesängste aus und war gleichzeitig seltsam heiter bei dem Gedanken, Jakobs Schatten nicht mehr fürchten zu müssen, weil sie ihn in Italien erschossen hatte, obwohl Max behauptete, die Kugeln hätten den Rottweiler getroffen. Die Ironie ließ sie schmunzeln. Sie kniff die Augen zusammen und steckte die Hände in die Tasche ihrer weiten, schlabberigen Seidenhose. Immerhin kann ich nun wieder mit Max abends ausgehen, dachte sie.
***
Mathilda van Cleef verließ mit ihrem BMW die Abfahrt Starnberg und lenkte das Fahrzeug zur Gavaldo-Villa, die auf einem sanften Hügel mit einer kurvenreichen Zufahrt lag. Es war ein Haus aus weißen Steinen mit einem Dach aus ockerfarbenen Ziegeln, das ganz in Flutlicht getaucht war.
Mathilda passierte das Eingangstor, fuhr über die von silbernen Laternen beleuchtete und von Bäumen gesäumte Einfahrt und parkte den Wagen neben dem Haupteingang. Als sie ausstieg, hielt sie einen Moment inne.
Es gab hier viele Zimmer für eine Menge Kinder, dachte sie. Anna und Max wollten mindestens fünf. Doch merkwürdigerweise war Anna nach Katharinas Geburt nicht mehr schwanger geworden. Manchmal glaubte Mathilda, in ihr die Sehnsucht nach weiteren Kindern zu spüren, besonders dann, wenn sie ihren Blick auf ihrem gewölbten Bauch spürte.
Ihre Zwillinge würden in etwa zehn Wochen auf die Welt kommen, und mittlerweile war sie ziemlich schwerfällig geworden.
„Nur noch ein paar Wochen“, murmelte Mathilda, während sie auf das Haus zuging. „Dann presse ich euch beide mit einem Pups heraus.“
Max kam mit sicheren Schritten durch die hohe, großzügig bemessene Tür der Eingangshalle auf sie zu. „Mit wem sprichst du denn da, Mathilda?“
Sie begrüßte ihn mit einem flüchtigen Kuss. „Mit den Raufbolden in meinem Leib. Ich bekomme kaum noch Luft, und die Magensäure hat den Höchstpegel erreicht.“ Sie führte ihre Hand zum Hals. „Bis hier. Hallo, Max. Benedikt kommt nach. Er wurde im Präsidium aufgehalten. Ein Junkie ist durchgedreht.“
Max hob die Augenbrauen. „Was für eine Welt! Erzähl es mir später. Da kommt Katharina.“
Mathilda verstand und nickte. Sie marschierte schnurstracks in Richtung des Mädchens, das oben an der Treppe stand und strahlte. Mit vor Freude roten Wangen hüpfte es die Stufen hinunter, stürmte auf sie zu und drückte sie heftig.
„Hallo, Kleines. Bist du froh, wieder zu Hause zu sein?“, fragte Mathilda.
Max lachte. „Meine Tochter ist sich noch unschlüssig.“ Er hob sie in die Luft, schwenkte sie schnell und elegant im Kreis und setzte sie wieder ab.
Katharina nahm Mathildas Hand. „Komm, Mathi, ich zeige dir das Essen.“
„Das Essen?“
Sie schaute Max fragend an, der lächelnd die Schultern hob. „Okay“, sagte er.
„Beim Schnitzel hat Mami das Fleisch totgeklopft“, plapperte Katharina drauflos, „und für mich hat sie Karotten gekocht. Mami sagt immer, Karotten schmecken lecker, aber dann schmecken sie wie immer!“
„Aha. Wo ist denn Mami?“
„Oben. Sie renoviert sich.“
Mathilda schmunzelte.
***
Anna vernahm Mathildas Stimme aus dem Wohnzimmer. Sie musste sich beeilen. Jakob war außer Gefecht gesetzt, und sie war frei. Das war das Einzige, was zählte. Sie atmete langsam aus. Lieber den Teufel, den man kennt … Aber das war Unsinn. Jakob war kein angenehmer Teufel gewesen.
Plötzlich zweifelte sie wieder wie heute Morgen. Selbst wenn das in Italien ein falsches Spiel gewesen war, hatte sie nun eine Überlebenschance. Mit Überleben kannte sie sich aus. Mit Jakobs Schatten hätte es keine Zukunft für sie gegeben, so viel stand fest.
Sie zog sich rasch das schmale Etuikleid an, strich es an ihrem Körper glatt und betrachtete sich im Spiegel des Badezimmers. Sie legte den Kopf schief und streifte mit dem
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