EISKALTER SCHLAF: Poesie des Bösen: Thriller (German Edition)
Zufrieden?“
„Schluss jetzt mit den Verbrechen. Komm, wir machen es uns gemütlich.“
„Ich liebe dich“, hauchte Benedikt ihr ins Ohr.
Max schenkte den rubinroten Chiantiwein in große Gläser.
Wenig später stießen Jörg Kreiler, in Begleitung einer jungen blonden Frau mit piepsiger Stimme, und Robert Hirschau hinzu, der auch heute wieder seine graue Lederjacke trug: sein Markenzeichen, passend zu seinem graumelierten blonden Haar, was ihm zusammen mit dem markanten Kinn und den stahlblauen Augen einen nordischen Charakter verlieh, weswegen er umgehend den Spitznamen Hamlet verpasst bekommen hatte.
Als schließlich die Gläser klirrten, hatte Anna sich wieder beruhigt.
Mathilda bemerkte dennoch eine Unruhe an ihr, und sie schlug vor, in den Garten zu gehen.
Draußen sog sie genüsslich die würzige Abendluft ein. „Ah, ich liebe diese Luft! Es gibt gleich Regen.“
„Entschuldige meinen schroffen Tonfall vorhin“, sagte Anna.
„Schon gut. Jeder hat mal einen schlechten Tag.“ Mathilda gab ihr einen Kuss.
Sie lachten und unterhielten sich, füllten die Lücken, die sie vor ihrer Italienreise offengelassen hatten, und entdeckten ihre Freundschaft neu. Sie sprachen über den Urlaub, über die Schwangerschaft und die Zwillinge, die sich in Mathildas Bauch Boxkämpfe lieferten.
„Hast du Jörg Kreilers neue Flamme gesehen?“, lästerte Mathilda leise. „Ist dieses luftig aufgeföhnte Etwas vielleicht eine Frisur?“
Anna lachte. „Mathi, halt dich zurück! Sie ist schließlich unser Gast, und unsere Gäste sind uns heilig.“
Mathilda machte eine abwehrende Handbewegung. „Ja, ja. Wenn Frauen ihre reizarme Existenz immer wieder durch die Berührungen ihres Friseurs lustvoll aufwerten, kommt so etwas dabei heraus!“
Anna kicherte. „Ist aber gefahrlos, Mathi! Komm, lass uns wieder reingehen.“
Ihre Gäste redeten und redeten und redeten. Am Tisch schweiften Annas Gedanken immer wieder ab. Es hatte plötzlich heftig zu regnen begonnen, und Tropfen peitschten gegen die Terrassentür und gegen die Fensterscheiben. Mathilda unterhielt sich mit Jörg Kreiler, Max schien sich mit Kreilers Flamme zu langweilen und lächelte ihr zu. Benedikt van Cleef und Robert Hirschau waren in ein Gespräch vertieft, und sie beobachtete die beiden. Plötzlich drang ein Wort zu ihr, oder bildete sie sich nur ein, dass Robert leise diesen Namen erwähnte: Lukas? Ein Wort, ein Name. Oder war es das Donnergetöse, das die Stimme in ihrem Kopf aufleben ließ? Der Wind oder der Regen? Oder die Erinnerung an den Modergeruch verwelkter Blüten auf dem Grab ihrer ermordeten Schwester?
„Du bellst den falschen Baum an, Jakob!“, fauchte Anna.
Die Gespräche verstummten. Max wurde blass und sprang auf, das Gesicht voller Sorge.
Irritiert schaute sie ihn an. Alle Blicke waren auf sie gerichtet.
„Was ist denn? Was glotzt ihr mich so an. Sind Fliegen in der Suppe?“
Sie spürte Tränen aufkommen und warf ihre Serviette auf den Teller. „Entschuldigt mich. Ich schau mal kurz nach unserer Kleinen.“
Mathilda erhob sich ebenfalls. „Ich komme mit.“
Im Badezimmer fragte Mathilda: „Ist alles in Ordnung mit dir?“
Anna trocknete die Hände und frischte mit einem pfirsichfarbenen Stift die Lippen auf. „Sicher, wieso fragst du?“
„Weil du eben so etwas Merkwürdiges gesagt hast.“
„So …? Was habe ich denn gesagt?“
„Du bellst den falschen Baum an, Jakob!“
Anna lachte. „Das soll ich gesagt haben? Du träumst, Mathi!“
„Ich sorge mich schon seit geraumer Zeit um dich, denn du hast dich verändert. Manchmal habe ich das Gefühl, ich kenne dich nicht mehr.“
Annas Züge wurden hart, und sie schaute in den Badezimmerspiegel. „Hast du das gehört, Jakob? Was sagt man dazu? Wie kannst du es wagen, so etwas zu sagen?“
„Red nicht so mit mir. Glaubst du, ich sehe nicht, was los ist? Es ist, als wären zwei Personen in dir. Und eine davon ängstigt mich. Kennst du diesen anderen Menschen in dir?“
Anna wurde kreidebleich. „Willst du, dass ich noch mal Gewalt anwende, liebste Mathilda?“, flüsterte sie mit eisiger Stimme.
Mathilda fuhr erschrocken zusammen. „Anna … Bitte. Himmel … Tu das nicht. Was ist bloß los mit dir?“
Anna warf einen finsteren Blick in den Spiegel. „Tagsüber schaut er den Möwen zu. Nachts blickt er in die erleuchteten Fenster unseres Hauses: unser Familienleben in goldenen Farben, Kerzenlicht, knisterndes Feuer im Kamin. Ein Glas Rotwein, rot wie
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