EISKALTER SCHLAF: Poesie des Bösen: Thriller (German Edition)
Kristallstab ihrer Parfümflasche die Ohrläppchen.
Der Tag hatte mit einem Rausch in ihrem Kopf begonnen, und jetzt war sie benommen. Es liegt wohl an Max, dachte sie. Er war zu vielschichtig, fand sie, und es schien ihr nicht möglich zu sein, alle Schichten zu durchdringen und aus ihm schlau zu werden. Auch das war kompliziert und rätselhaft.
Sie lief schnell die Treppe herab. An der bronzenen Davidstatue, die neben dem Treppenabsatz stand, drehte sie sich um und blickte in den großen Wandspiegel.
Jakobs Schatten huschte an ihr vorbei. Im Spiegel erkannte sie seinen bewundernden Blick.
***
Das Wohnzimmer war eine schimmernde, warme Oase. Überall standen Kerzen, und im ganzen Haus duftete es nach den lachsfarbenen und gelben Freilandrosen. Das Buffet war auf einem schneeweißen Tisch im Esszimmer aufgebaut.
Katharina tippte mit dem Zeigefinger vorsichtig auf Mathildas Bauch. „Mami hat mir erzählt, dass die Babys, solange sie im Bauch sind, durch die Schnabelschnur essen. Stimmt das?“
„Ja, Kleines. Aber es heißt Nabelschnur.“ Mathilda ließ ihren Blick übers Buffet schweifen. „Was gibt es denn Leckeres? Hm … Krabben in hausgemachter Mayonnaise, hauchdünnes Kalbfleisch, und was sehe ich noch? Eine Leber, die wahrscheinlich auf der Zunge zergeht“, sagte sie. „Ich kann es kaum erwarten, so hungrig bin ich.“
„Naschst du auch so gerne, Mathi?“
Mathilda lachte und hob den Zeigefinger an die Lippen. „Schhh … Verrate mich bloß nicht, Kleines. Ich nasche für mein Leben gern. Deshalb bin ich jetzt auch so dick!“
„Aber, du musst ja auch für drei essen, Mathi“, sagte Katharina altklug.
„Nein, das darf sie nicht!“, sagte Anna, die soeben das Esszimmer betrat. „Und hier wird auch nicht genascht!“
„Anna!“ Mathilda umarmte ihre Freundin. „Du siehst toll aus. Ich bin richtig neidisch.“
Anna kicherte. „Und du, als würdest du gleich platzen.“
„Danke. So fühle ich mich auch. Also bitte, keine weiteren Kommentare. Ich …Wir haben dich vermisst.“
Max betrat das Esszimmer und entkorkte eine Flasche Rotwein.
„Wen erwartet ihr denn noch zum Abendessen?“, fragte Mathilda.
„Jörg Kreiler mit seiner neuen Flamme, und Robert Hirschau hat auch zugesagt.“
„Hey, das ist ja toll. Ich habe Hamlet eine Ewigkeit nicht mehr gesehen. Wahrscheinlich hat er zu viel Psychopathenscheiß um die Ohren.“
Anna wurde blass. „Wahrscheinlich“, sagte sie schnippisch. „Entschuldige mich bitte.“ Sie drehte sich abrupt um. „Die Türglocke.“
O Gott, wie konnte ich nur?, dachte Mathilda.
***
Benedikt van Cleef lächelte, als er das Esszimmer betrat und seine Frau auf ihn zukam. Mathilda war atemberaubend. Ihr Haar war schon immer von einem leuchtenden Tizianrot wie loderndes Feuer, in der Schwangerschaft erschien es wie das reinste Flammenmeer, das sich in wilden Locken über ihre Schultern ergoss. Ihre rostrot geschminkten Lippen hoben sich zu einem kleinen wissenden Lächeln, als sie auf ihn zukam und vor ihm stehen blieb, so nah, dass er das winzige Muttermal sehen konnte, das direkt über der rechten Oberlippe saß.
Das Mal war ihm bei ihrer ersten Begegnung vor sechs Jahren sofort aufgefallen, und er hatte es schon damals im Krankenhaus sofort küssen wollen. Er hatte seine Frau vor sechs Jahren auf der Intensivstation kennengelernt, als er den Mordanschlag auf Anna untersuchte. Mathilda hatte Anna, die damals im Koma gelegen hatte, täglich besucht. Da er die Patientin nicht hatte befragen können, hatte er sich an Mathilda gewandt und sich Hals über Kopf in sie verliebt. Ein Jahr später waren sie verheiratet.
Benedikt van Cleef begrüßte seine Frau mit einem Kuss und streichelte sanft über ihren Bauch. „Alles okay mit euch dreien?“
„Ich bin gerade mal wieder ins Fettnäpfchen getreten. Aber ich habe keine Lust mehr, jedes Wort in die Waagschale zu legen, bevor ich es ausspreche. Es ist schon so verdammt lange her, dass Anna und ich wirklich ungezwungen miteinander umgegangen sind. Sie ist schrecklich empfindlich geworden. Dabei hat sie doch gerade erst einen vierzehntägigen Urlaub hinter sich.“ Sie zog die Schultern hoch. „Keine Ahnung, was zurzeit mit ihr los ist.“
„Vielleicht solltet ihr euch mal zum Essen verabreden. Unter vier Augen klärt sich manches leichter.“
„Ja, vielleicht hast du recht. Und? Hast du deinen Junkie eingesperrt?“
„Schön, dass du dich um mich sorgst! Ja, ich habe ihn eingesperrt.
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