EISKALTER SCHLAF: Poesie des Bösen: Thriller (German Edition)
straucheln. Er grinste. Wenn er sich nicht zusammenriss, würde ihn allein schon ihr Händedruck erregen.
Hirschau ging auf das Gebäude mit der Hausnummer siebzehn zu, nur der Eingangsbereich und wenige Fenster im ersten Stock des Gebäudes waren erleuchtet.
Er zeigte dem Polizisten an der Pforte seinen Ausweis.
„Dr. Cordes erwartet Sie bereits. Tragen Sie eine Waffe?“
„Nein.“
„Dritter Stock, Zimmer zweiunddreißig.“
Er passierte das massive Stahltor und blieb in der Halle vor der Tafel stehen. Ganz oben stand ihr Name, darunter:
Leitbild der Klinik, verabschiedet am 12.03.2000.
Diese Klinik ist eine Einrichtung unter der Trägerschaft des Landeswohlfahrtsverbandes. Sie ist den im Leitbild des LWV niedergelegten Grundsätzen verpflichtet. Unter strikter Achtung der Grundrechte unserer Patientinnen und Patienten erfüllen wir als spezialisierte Einrichtung des Maßregelvollzugs den gesetzlichen Auftrag der Besserung und Sicherung psychisch gestörter Rechtsbrecher in Nordrhein-Westfalen. Unser Ziel ist die Verbesserung der Sicherheit der Allgemeinheit durch Verhinderung neuer Straftaten unserer Patientinnen und Patienten.
Wir erreichen dies durch angemessene Sicherung, präzise Diagnostik und Prognosebildung, wirksame Behandlung und Nachsorge. Wir orientieren uns hierbei an international anerkannten wissenschaftlichen Standards.
Wir gewährleisten die qualitative Weiterentwicklung unserer Arbeit durch kontinuierliche Aus- und Weiterbildung unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, eigene Forschung und Lehre, nationale und internationale Kooperation sowie die laufende Überprüfung unserer Ergebnisqualität und deren Offenlegung.
Aufgabe des psychiatrischen Maßregelvollzugs ist es, die ihm anvertrauten psychisch gestörten Menschen dahingehend zu bessern, dass keine erneuten erheblichen Straftaten mehr vorkommen.
Dr. Alexandra Cordes
Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie.
Diese Tafel war angebracht, weil es nicht reichte, die in der allgemeinen Psychiatrie gängigen Behandlungsformen zu übernehmen. In mancher Hinsicht glichen die Patienten des Maßregelvollzugs eher den Insassen von Justizvollzugsanstalten. Die Begehung der Straftaten war in den meisten Fällen nicht nur auf die psychische Störung zurückzuführen, sondern auch auf dieselben Faktoren wie bei normalen Straftätern. Deshalb gehörte zum Konzept nicht nur die Behandlung der psychischen Störungen, sondern auch die Bearbeitung weiterer kriminogener Faktoren wie die Unfähigkeit, sich in andere Menschen einzufühlen.
Hirschau fuhr mit dem Aufzug in den dritten Stock, durchquerte den langen Korridor, gelangte zu einer Stahltür mit der Aufschrift Hochsicherheitstrakt und nannte seinen Namen.
Die Tür sprang auf. Er betrat einen kleinen, hell erleuchteten Vorraum. Geblendet von dem grellen Neonlicht, hielt er einen Moment lang inne und legte seine rechte Hand schützend vor die Augen, während die Videokamera ihre Linse unerbittlich auf ihn gerichtet hielt.
Durch die Sprechanlage forderte eine Stimme ihn auf, sich zu identifizieren. Er zeigte der Kamera seinen Ausweis und fragte sich, was sich wohl hinter dieser Tür verbarg. Er atmete tief ein und wartete. Eine zweite Stahltür öffnete sich, und er betrat den Hochsicherheitstrakt der Klinik für forensische Psychiatrie.
Er schritt den Gang entlang, vorbei an den abgedunkelten Zellen der Insassen. Er war erschöpft, die innere Unruhe laugte ihn aus, er fühlte sich verloren in diesem Gebäudetrakt. Doch seine finsteren Gedanken waren mit einem Mal verflogen, als er die vertraute zarte Gestalt bemerkte und in ihr Gesicht schaute.
Er sah das strahlende Lächeln, den kirschroten Mund, das lange schwarze Haar, noch immer umgeben von dem Hauch zarter Jasminblüten, ein atemberaubender Anblick in einer kranken Welt.
Als sie ihm die Hand reichte, spürte er sein pochendes Herz, und als sie ihn küsste, eine aufkommende Erregung.
***
München
Seufzend klappte Max Annas Krankenakte zu und stieß gedankenverloren an das Fußende des Bettes, in dem sie dank einer Imap-Injektion friedlich schlief. Er blickte voller Sorge auf seine Frau, die im Schlaf einen getupften Teddybär eng umschlungen hielt. Er überlegte verzweifelt, ob nicht noch irgendetwas getan werden konnte. Ihr Hals schmückte eine Glasperlenkette. Die Schritte hinter seinem Rücken hörte er nicht. Erst als eine Stimme sagte: „Alles okay, Max?“, drehte er sich um und blickte in das Gesicht von Jörg
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