EISKALTER SCHLAF: Poesie des Bösen: Thriller (German Edition)
muskulös und geschmeidig. Und noch immer umgibt ihn diese geheimnisvolle Aura. Sie konnte ihm kaum in die Augen sehen, ohne zu erröten.
„Ich wüsste nicht, wie ich dir bei diesem Vorhaben helfen könnte, Alexandra“, sagte Robert, nachdem sie ihm ihre Bitte vorgetragen hatte. „Das Urteil im Fall Lukas Hübner ist rechtskräftig.“
„Ich möchte dich nur bitten, mir bei einem Revisionsantrag behilflich zu sein.“ Sie schlug ihre schlanken Beine übereinander. Sie spürte, dass er sie noch immer anziehend fand.
Er räusperte sich. „Alexandra, ich bin Profiler beim BKA und kein Strafverteidiger. Das Bundeskriminalamt hat keine Zweigstelle am Oberlandesgericht.“
„Ich weiß, aber hör mir erst mal zu. Vielleicht gibt es doch eine Möglichkeit, Lukas zu helfen.“
„Er wuchs bis zu seinem siebten Lebensjahr bei seinen Eltern auf, die tödlich verunglückt sind. Bis dahin war er seinem Alter entsprechend ein vollkommen normales Kind. Seine Behinderung resultiert aus dem unfallbedingten Schädelhirntrauma und den Spätfolgen. Er hat also die ersten Jahre seiner Kindheit völlig normal verbracht. Hier liegen auch seine Grundlagen. Lukas ist weder schizophren, noch ist er ein krimineller Soziopath.“
„Was unterscheidet denn einen Soziopathen von deinem Lukas? Du konntest ihn fünf Jahre beobachten und hast ihn therapiert.“
Sie bemerkte seine Nervosität und schmunzelte innerlich. „Lukas hat Empfindungen, er kann sich freuen, er zeigt Mitgefühl, er lacht gerne, er ist fähig zu lieben. Ein Psychopath hat kein Gefühl, Psychopathen glauben, sie sind Götter, und verhalten sich asozial, sie sind nicht in der Lage, für einen anderen Menschen zu empfinden und echte emotionale Beziehungen aufzubauen. Ihre einzigen emotionalen Handlungen werden durch ihren krankhaften Trieb gesteuert. Lukas ist nicht geistesgestört, er ist geistig behindert. Und deshalb wollte ich mit dir reden. Er gehört nicht hierher. Er gehört in ein Heim für geistig Behinderte.“
„Hm …“
„Ich möchte dir einen Vorschlag machen. Sprich mit ihm. Du bist gut ausgebildet und verfügst über eine gute Menschenkenntnis. Bilde dir selbst ein Urteil.“
Er war überrascht, dass sie ihn so stark involvieren wollte, und überlegte kurz. „In Ordnung“, sagte er. „Wann?“
„Wäre es dir morgen recht?“
„Okay.“
„Übrigens war vor einigen Tagen ein Neurologe hier. Jörg Kreiler. Sagt dir der Name etwas?“
Er runzelte die Stirn. „Ja, ich kenne ihn sogar persönlich. Was wollte er von dir?“
„Er hat sich nach Lukas erkundigt und mir einige Unterlagen aus den Prozessakten gezeigt. Er behandelt Anna Gavaldo. Aus diesem Grund wollte er sich mit Lukas unterhalten.“
„Hast du dem zugestimmt?“
„Sicher. Er ist ein Kollege mit einem hervorragenden Ruf. Nur …“ Sie wirkte nachdenklich.
„Nur was, Alexandra?“
„Lukas war nach dem Gespräch etwas verstört.“
Hirschau schwieg.
„Ich habe mir zunächst nichts dabei gedacht, weil Lukas sich Fremden gegenüber immer verschlossen verhält.“
Robert schaute ihr in die Augen. „Hat er irgendetwas über das Gespräch gesagt?“
Sie lächelte. „Nein, nur dass der Mann ihm Glasperlen gezeigt hat und damit spielen wollte.“
Robert stand auf. „Glasperlen?“
Alexandra wirkte plötzlich verunsichert. „Ja, Glasperlen. Ist es vielleicht doch von Bedeutung?“
„Keine Ahnung, wahrscheinlich nicht. Vielleicht ist es nur eine neue Therapieform. Aber ich frage mich, warum Kreiler neulich beim Abendessen nicht erwähnt hat, dass er Lukas aufgesucht hat. Vielleicht hat er mit Benedikt van Cleef darüber gesprochen.“
Sie stand auf, ging auf ihn zu und streifte flüchtig seine Lippen. „Ich danke dir, dass du mit Lukas sprechen wirst“, sagte sie. „Und jetzt lade ich dich zum Essen ein. Favorisierst du noch immer die französische Küche?“
„Du erinnerst dich?“
„Sicher. Ich kenne ein kleines französisches Restaurant in der Ruhrtalstraße. Le Petit. Dort können wir in aller Ruhe über alte Zeiten sprechen.“ Sie lächelte. „Aber nicht nur über die alten Zeiten, mich interessieren natürlich auch deine neuen.“
Sie stand ganz nah vor ihm und spürte förmlich, wie sehr er sich beherrschen musste, sie nicht zu umarmen. Sie spürte seine Hitze, schaute verstohlen nach unten und sah, was sie mit ihrem flüchtigen Kuss angerichtet hatte.
Sie verließen ihr Dienstzimmer und nahmen den Aufzug am Ende der Station. Als die Türen
Weitere Kostenlose Bücher