EISKALTER SCHLAF: Poesie des Bösen: Thriller (German Edition)
sind spät dran!“
Als er schließlich das Schlafzimmer betrat, lag Anna noch immer in ihrem Bett und schlief tief und fest. Neben ihr lag Katharina, lutschte am Daumen und starrte ihn mit großen dunklen Augen an.
***
Dieses eine Wort, das immer wieder an ihre Ohren drang, fräste sich durch Annas Träume und ließ sie in sich zusammenfallen, bevor es sie endgültig in den Wachzustand beförderte.
„Katharina … Zwei …“
In der Ferne hörte sie Max’ Stimme. Sie war jetzt wach genug, um festzustellen, dass sie die Decke nach oben gezerrt hatte und ganz erhitzt war, völlig durcheinander und absolut nicht in der Lage, aufzustehen oder sich auch nur zu bewegen. Sie öffnete ein Auge gerade so weit, dass sie Max zwischen ihren vom Schlaf verklebten Wimpern erkennen konnte. Er stand mit einem Handtuch um die Hüften direkt vor ihr.
„Anna? Ich habe geglaubt, du bist im Badezimmer. Ich … Ach, vergiss es.“
„Wo ist Katharina?“
„Sie ist im Bad und putzt sich die Zähne.“
„Komm mal her, leg dich einen Moment zu mir. Ich fühle mich schrecklich.“
Max gab keine Antwort.
„Max …?“
„Anna, dafür ist es zu spät. Möchtest du dich noch ein bisschen ausruhen?“
„Okay“, erwiderte sie, obwohl die einzige Bewegung, die sie zustande brachte, das Schließen des einen Auges war.
„Katharina hat morgen …“
Sie hörte den Rest des Satzes nicht mehr. Die Konturen begannen wieder zu verschwimmen, und erneut umhüllte sie watteweicher Schlaf. Vor dem Fenster des auf der gegenüberliegenden Seite des Flurs liegenden Zimmers baumelte ein Glasprisma. Es war das Fenster, durch das morgens die Sonne als Erstes hereinfiel. Während Anna wieder in Tiefschlaf versank, schien die Sonne durch die Baumwipfel und sandte einen Strahl durch das Prisma, auf dem sich ein kleiner Regenbogen bildete, der auf den Kalender an der gegenüberliegenden Wand fiel, auf den sie eine kleine Geburtstagstorte mit sieben brennenden Kerzen gezeichnet hatte. Diese auf Katharinas bevorstehenden Geburtstag hinweisende Torte war es, was sie als Erstes sah, als sie zwei Stunden später die Augen erneut öffnete.
Sie hielt einen Augenblick den Atem an. Sonne, Ostfenster, das Prisma, der Regenbogen, der genau über der Geburtstagstorte stand, waren der Beweis, dass Gott existierte, dachte sie. Gott hatte offenbar ein persönliches Interesse an ihr.
Der Regenbogen schob sich vorwärts, über den Kalender hinweg, bis er schließlich in ihrem offenen Kleiderschrank verschwand.
Irgendein Geräusch bahnte sich seinen Weg durch den Korridor, von dem sie jedoch nur einen Teil wahrnahm. Oder kam das Geräusch aus dem Schrank?
„Max?“
Nein, Max ist fort, dachte sie. Katharina ist fort. Es ist neun Uhr.
Eine kleine, dunkle Murmel rollte aus dem Schrank auf sie zu.
Murmel, murmel, murmel .
Etwas Graues, Schlangenförmiges kroch heraus. Sie erkannte die alte Frau vom Straßenrand, die ihre Schwester so oft gewarnt hatte. Die Alte setzte sich in ihren alten bodenlangen Röcken und ihrer grauen Wolljacke, die sie mit großen Sicherheitsnadeln zusammenhielt, auf ihr Bett, verdrehte die Augen und flüsterte: „Ich weiß, wer du bist. Er wird auch dich kriegen.“
Anna schlug die Hände vors Gesicht. „Geh weg! Du bist böse, eine Lügnerin.“
Jetzt stieg auch Jakob aus dem Schrank und kam auf sie zu. Sie schaute direkt in seine hinter dunklen Brillengläsern liegenden schwarzen Augen. Auch er setzte sich aufs Bett und lächelte.
Er flüsterte: „Sie kann dich nicht hören, mein Engel. Der Wind übertönt deine Worte.“
Das Gesicht der Alten verzog sich zu einer Fratze mit glühenden Augen. Sie stand auf, schlich wieder zum Schrank und kroch hinein. Plötzlich drehte sie sich noch einmal um.
„Ich komme wieder, Mädchen. Hüte dich vor Max!“
***
„Anna, beruhige dich doch!“, rief Max und schüttelte sie.
„Ich … Ich habe das niemals geträumt. Es war Katharina, die diese Träume hatte. Die alte Frau am Straßenrand hat immer nur sie angesprochen, niemals mich. Ich kannte sie noch nicht mal. Irgendetwas stimmt nicht. Warum träume ich Dinge, die Katharina geträumt hat? Warum?“, rief sie.
Er fuhr sich mit den Händen durchs Haar. „Anna, ich halte das nicht mehr aus.“
Seine Worte klangen hart und kalt. Sie spürte seine Erschöpfung, und in diesem Augenblick wurde ihr bewusst, dass auch Max glaubte, sie fiele allmählich dem Wahnsinn anheim.
„Ich bin nicht wahnsinnig“, blaffte sie ihn an.
„Du
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