Eiskalter Sommer
Banken interessiert das nicht.“
Hannes Fedder (58) wird deutlicher: „Die verarschen uns doch.“ Fedder und seine Frau verlieren beide ihre Arbeitsplätze bei CuxFrisch. Und sie sind sicher, dass sie keine Chance mehr auf einen Job haben.
Ein Sprecher der Bank äußerte ebenso wie Firmeninhaber Rainer Behrendsen Bedauern angesichts der bevorstehenden Entlassungen. Man sehe aber keine Möglichkeit, die Frischfischabteilung des Unternehmens in die Gewinnzone zu bringen. Behrendsen verweist auf den ertragreichen Zweig des Unternehmens: „Die Tiefkühlsparte ist von der Schließung nicht betroffen. Sie wird unter dem Namen CuxFrost weitergeführt.“
Für die Belegschaft der CuxFrisch ist das kein Trost, denn es wird dort kaum neue Arbeitsplätze geben. Angesichts der Art und Weise, wie hier mit der Belegschaft umgegangen wurde, stellt sich die Frage, ob das letzte Wort schon gesprochen ist. Oder ob Betriebsratsvorsitzender Evers noch einen Trumpf in der Hinterhand hält.
Felix Dorn schloss zufrieden das Fenster für die Texteingabe und begann, seinen Schreibtisch aufzuräumen. Nebenher betätigte er die Wahlwiederholung seines Telefons, um Evers doch noch zu erreichen. Aber der Betriebsrat meldete sich an seinem Firmentelefon nicht. Dorn beschloss, ihn außerhalb des Betriebes zu treffen. Er suchte im Telefonbuch nach einem Eintrag, aber es gab zu viele mit dem Namen Evers. Vielleicht konnte ihm einer der Kollegen einen Hinweis geben. Er fand die Nummer von Rodriguez. Gerade als er wieder auflegen wollte, meldete sich der Portugiese. Evers ginge nach der Arbeit gelegentlich ins „Brauhaus“. Bei dem warmen Wetter sei er vielleicht auch bei „Ditzer“ oder vor der „Fischkiste“ zu finden. Jedenfalls irgendwo auf der Fischmeile, wo man draußen sitzen konnte.
Dorn machte sich auf den Weg. Einen Informanten dort zu treffen, wo Einheimische und Touristen einen lauschigen Sommerabend bei Meeresfrüchten und Wein oder Bier verbrachten, war möglicherweise nicht ganz einfach, aber durchaus verlockend.
*
Konrad Röverkamp hatte die Vorstellung, in die Wohnung der verstorbenen Amelie Karstens zurückzukehren, schon den ganzen Tag bedrückt. Zwar ließ ihn die in langen Kriminalistenjahren erworbene Routine nicht im Stich und er hatte die notwendigen Ermittlungen eingeleitet, um zumindest die Identität des bei Duhnen aufgefundenen Toten festzustellen. Aber seine Gedanken waren immer wieder abgeschweift.
Je näher der Feierabend rückte, desto größer wurde sein Wunsch, dem Alleinsein in der großen Wohnung am Hamburg-Amerika-Platz auszuweichen. Am liebsten wäre er zu Sabine Cordes nach Debstedt gefahren, aber da er wusste, sie Dienst in der Anästhesie hatte, würde er ihr nicht zumuten, ihm zwischen zwei Operationen seelischen Beistand zu leisten. Irgendwie war sie ja auch betroffen. Und das machte die Sache noch komplizierter.
Marie hatte seine Stimmungslage gespürt und kurzerhand entschieden, dass er heute – angesichts des lauschigen Abends – unter Menschen gehen müsse, anstatt zu Hause Trübsal zu blasen oder sich Gedanken über seine Bleibe zu machen. „Was hältst du davon“, hatte sie rundheraus gefragt, „wenn du mich heute Abend zu einem Glas Wein einlädst?“ Auf seinen irritierten Blick hatte sie hinzugefügt: „Nicht weil ich das bräuchte, sondern du.“
Nun saßen sie vor dem Restaurant „Meeresfrüchte“ bei gegrillten Garnelen und einer Flasche trockenen Weißweins. Um sie herum herrschte Urlaubsstimmung. Wie an einem Badeort der Mittelmeerküste. Lebhafte Unterhaltung und vielstimmiges Gelächter erfüllten die Straße. Und noch immer strebten unternehmungslustige Menschen zu den Restaurants und Kneipen des Hafenviertels. Die Wirte hatten alle verfügbaren Sitzgelegenheiten nach draußen gestellt, dennoch wurden die Plätze knapp. Cliquen, Pärchen und einzelne Gäste hielten Ausschau nach freien Stühlen oder einem Platz an der Theke. Ein gut aussehender junger Mann grüßte im Vorbeigehen und sah sich suchend um. Sein Blick blieb kurz an Marie hängen. Er lächelte verhalten, ging dann aber weiter.
„Kennst du den?“ Marie sah ihren Kollegen fragend an.
Röverkamp nickte. „Du kennst ihn auch. Zumindest vom Telefon. Felix Dorn. Redakteur bei den Cuxhavener Nachrichten.“
Marie drehte sich noch einmal um und sah ihm nach.
Ihr Kollege schmunzelte. „Ein netter junger Mann. Sehr engagiert. Und nicht unattraktiv.“
Marie schüttelte abwehrend den Kopf. „Kein
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