Eiskalter Wahnsinn
überwältigt von dem Fundort oder dem Gestank.
„Sollen wir die Fässer nicht lieber aufschneiden?“ schlug Watermeier vor.
„Womit?“ Dr. Stolz wischte sich die ständig von Schweiß glänzende Stirn. „Der Einsatz von Werkzeugen könnte den Inhalt noch mehr verunreinigen, als er es ohnehin schon ist. Lassen Sie uns nur nachsehen, was in den Fässern ist, ehe wir sie wegschaffen. Ich will nicht ein Dutzend Müllfässer in meinem Labor haben, Henry, ist das okay? Lassen Sie uns nachschauen. Ich weiß, es ist zeitaufwändig und ärgerlich, trotzdem.“
„Wie Sie wollen. Das ist Ihre Entscheidung.“
„Ich habe nicht gesagt …“ Dr. Stolz verstummte, als ein Schwärm schwarzer Fliegen aus der kleinen Fassöffnung entfleuchte. „Zum Teufel auch.“
„Grundgütiger Himmel!“ Watermeier trat einen Schritt zurück.
Bonzado stutzte nur einen Moment und brach den Deckel weiter auf. „Wir sollten ein paar von den Viechern einfangen, richtig?“ Er sah zu Maggie, dann zu Carl, der bereits nach einem geeigneten Container suchte.
„Ramona und Simon, kommen Sie her und helfen Sie Carl.“
Die junge Frau eilte geradezu an Carls Seite, doch Simon blieb stehen, als hätte er Bonzado nicht gehört.
„Simon?“
„Ja, okay.“
Maggie beobachtete, wie er Kelle und Kamera ablegte – langsam, wie in Zeitlupe. Offenbar wollte Simon dem Ganzen nicht näher kommen als unbedingt nötig. Vielleicht erwartete Professor Bonzado ein bisschen zu viel von seinen Studenten. Die hatten sich ihren Beruf möglicherweise als die Begutachtung sauberer, fleischloser Knochen in sterilen, warmen, trockenen Labors vorgestellt.
Bonzado bog den Deckel weiter auf. Carl und Ramona hielten die beiden Seiten eines provisorischen Netzes fest und fingen einige Fliegen ein. Simon hielt einen Container mit weiter Öffnung bereit, in den sie die Fliegen schüttelten, und drückte rasch den Deckel darauf. Er übergab das Behältnis an Carl und kehrte auf seinen Posten zurück, Kelle in einer Hand, Kamera in der anderen.
Bonzado hebelte jetzt weiter, ohne die schwärmenden Fliegen zu beachten. Schließlich war der Deckel lose und fiel zu Boden. Noch mehr Fliegen und noch mehr Gestank. Ein säuerlich stechender Geruch nach faulen Eiern entströmte dem Fass. Maggie sah den zweiten männlichen Studenten und einen von Sheriff Watermeiers Deputys davoneilen. Einer schaffte es nicht mehr bis zu den Bäumen, ehe er sich übergeben musste. Simon jedoch stand reglos da, ohne mit der Wimper zu zucken. Auch Henry Watermeier und Carl hatten sich zurückgezogen, und der Sheriff hielt sich jetzt sogar den Hut vor die Nase.
„Heilige Scheiße!“ schimpfte Watermeier durch die Hutmaske gedämpft.
Maggie kletterte auf einen Fels, brachte etwas Abstand zwischen sich und den Gestank und versuchte in das Fass hinabzuschauen. „Hat jemand eine Taschenlampe?“
Adam Bonzado legte das Stemmeisen beiseite und durchsuchte seine Werkzeugkiste, dass es metallisch klimperte. Maggie fragte sich, ob er das absichtlich machte, um sich abzulenken. Als er ihr eine Stablampe hinaufreichte, merkte sie jedoch, dass er keineswegs plötzlich unbeholfen geworden war. Seine Hand war ruhig, und er hatte keine Schwierigkeiten, ihr in die Augen zu sehen.
„Wie zum Teufel kommen die Fliegen da rein?“ wollte Sheriff Watermeier wissen. „Das Fass war doch dicht versiegelt. Haben die sich durch irgendwelche Ritzen gequetscht?“
„Möglich“, erwiderte Maggie. „Ebenso gut kann die Leiche eine Weile den Elementen ausgesetzt gewesen sein, ehe sie in das Fass geschoben wurde.“ Maggie leuchtete mit der Stablampe in das Fassinnere und hoffte, mehr zu sehen als den Lichtkegel. Die Nachmittagssonne warf lange Schatten, was die Sache nicht einfacher machte. Schwingende Äste über ihr verursachten tanzende Schatten, die den Eindruck vermittelten, im Fass bewege sich etwas.
„Aber die Viecher können doch nicht so lange überdauert haben“, gab Watermeier zu bedenken.
„Die Fliegen legen Larven ab“, erklärte Maggie und konzentrierte sich auf den Lichtkegel, in dem jetzt ein Stück zerrissener Stoff, ein Büschel wirres Haar und vielleicht ein Schuh sichtbar wurden.
„Schmeißfliegen sind ziemlich schnell zur Stelle und sind sehr effizient“, erläuterte Bonzado. „Sie riechen Blut auf bis zu drei Meilen Entfernung und setzen sich auf einen Kadaver, ehe der richtig kalt ist. Manchmal schon, bevor der Tod eintritt.“
Maggie sah prüfend in die Runde, doch die
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