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Eiskaltes Schweigen

Titel: Eiskaltes Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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Reuschlin offenbar nicht. Und welche Strategie sein Rechtsbeistand sich zurechtgelegt hatte, war offensichtlich.
    Â»Okay.« Ich räusperte mich zum Zeichen, dass wir nun allmählich zur Sache kamen. »Wo waren Sie in der Nacht von Samstag auf Sonntag, Herr Reuschlin?«
    Er faltete fromm die Hände auf der Tischkante und schloss die Augen. »Im Ochsen. Abendessen und was trinken.«
    Â»Und weiter?«
    Â»Wieso fragen Sie? Sie wissen’s doch sowieso schon.«
    Â»Ich würde es gerne von Ihnen selbst hören.«
    Â»Hab wen kennengelernt«, murmelte er. »Die Anita.«
    Â»Es war also das erste Mal, dass Sie Frau Bovary getroffen haben?«
    Â»So heißt sie, Bovary?«
    Â»Zumindest ist das der Name, der an ihrer Klingel steht«, knurrte Balke mit einem Blick, als wollte er Reuschlin demnächst ohrfeigen.
    Â»Sie sind ins Gespräch gekommen …«, sagte ich geduldig und warf Balke einen warnenden Blick zu.
    Â»Sie ist echt nett gewesen, die Anita. Und so ’nen lustigen Dialekt hat sie gehabt. Und dann … na ja … war natürlich bald klar, was Sache war. Die ist ganz schön rangegangen, und ich hab natürlich nichts dagegen gehabt. Hässlich ist sie ja nicht, und man ist ja auch ein Mann …«
    Â»Sind Sie öfter in dem Lokal?«
    Â»Nein, nie. Normal esse ich daheim und trink das billigste Bier, das Sie bei Lidl kaufen können.«
    Â»Und weshalb ausgerechnet am Samstag nicht?«
    Â»Ich …« Reuschlin kniff die Augen fest zu und riss sie wieder auf. »Hab Geburtstag gehabt.«
    Â»Sie haben also zusammen gegessen …«
    Â»Sie hat es mitgekriegt, das mit meinem Geburtstag, und da hat sie gesagt, das ist ja lustig, weil, sie hat am selben Tag Geburtstag wie ich.«
    Â»Am siebzehnten Januar also?«
    Er nickte. »Ich hab Wiener Schnitzel mit Kartoffelsalat gegessen. Die machen da einen spitzenmäßigen Kartoffelsalat, im Ochsen, und das Schnitzel ist vom Kalb, wie sich das gehört, und nicht vom Schwein. Sie hat einen Sekt spendiert, und Wein haben wir auch getrunken. Wir haben über die Wirtschaftskrise geredet und das ganze Elend mit der Arbeitslosigkeit und alles. Sie hat ’ne Menge verstanden von so Sachen, die Anita, das muss man schon sagen.«
    Dass die Frau tot war, erstochen, hatte er bereits bei seiner Festnahme in Saarbrücken gewusst. Angeblich im Radio gehört. Auf diesen Punkt würde ich noch zu sprechen kommen.
    Â»Hat sie Ihnen erzählt, wo sie herkommt und was sie beruflich macht?«
    Â»Da ist sie irgendwie komisch gewesen. Sie hat so gut wie nichts von sich erzählt. Wenn ich sie was gefragt hab, dann hat sie so gelächelt und ist ausgewichen. Ist mir natürlich auch egal gewesen. Ich wollt sie ja nicht heiraten.«
    Â»Wie war sie denn so?«, wollte Balke wissen. »Als Frau, meine ich?«
    Â»Eine nette Stimme hat sie gehabt und so einen witzigen Akzent eben. Aber ein bisschen … wie soll ich sagen … Sie hat eben nicht gern was von sich erzählt. Als müsst sie ständig aufpassen, dass sie sich nicht verplappert.«
    Reuschlin verstummte, aber bevor ich ihn ermuntern musste, fuhr er fort: »Später sind wir dann zu ihr.«
    Â»Wie?«
    Â»Na, mit dem Taxi. Da muss es schon lang nach zehn gewesen sein. Sie wollt unbedingt mein Schnitzel bezahlen und meine zwei Viertel auch. Da hat sie drauf bestanden. Mir ist das ein bisschen peinlich gewesen, weil, normalerweise lädt ja der Mann die Frau ein und nicht umgekehrt. Aber wenn sie unbedingt will, hab ich gedacht, und es war ja schließlich mein Geburtstag.«
    Reuschlins Gesicht war jetzt in ständiger Unruhe. Seine knochigen, nikotingelben Finger hatten sich ineinander verkrampft.
    Â»In ihrer Wohnung hat sie dann noch eine Flasche Weißwein aufgemacht. Zur Feier des Tages, hat sie gemeint, und Sekt hätt sie leider keinen da. Ich hab gesagt, ist aber verdammt warm hier bei Ihnen, und da hat sie gelacht und gesagt, ich könnt ruhig schon mal was ausziehen. Wir haben noch ein Glas getrunken, und dann ist sie ziemlich flott zur Sache gekommen.«
    Wie schon zuvor schloss er kurz die Augen, um sie gleich darauf weit aufzureißen. Der Anwalt blickte stirnrunzelnd auf seine Uhr. Dieses Mal war die Pause länger als zuvor. Auf dem Flur draußen lachten zwei Männer. Unten fuhren kurz nacheinander drei Streifenwagen mit

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