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Eiskaltes Schweigen

Titel: Eiskaltes Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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Flanellhemd, das aussah, als hätte er nicht nur einmal darin geschlafen. Sein schulterlanges, ursprünglich dunkles und schon deutlich gelichtetes Haar war von grauen Strähnen durchsetzt, das Gesicht schmal und eingefallen, die Nase groß und hakenförmig, die Haut ungesund gelblich-grau. Rasiert hatte er sich vermutlich am Samstagmorgen zum letzten Mal.
    Wir saßen zu viert im überheizten Verhörzimmer. Balke, unser zerknautschter Verdächtiger, sein gelangweilter Anwalt mit dunklem Vollbart und ich. Draußen schneite es aus einem grauen Himmel, der wie eine Bleiplatte über Heidelberg lag.
    Ich erledigte die Förmlichkeiten, klärte Reuschlin über seine Rechte auf sowie darüber, dass er dringend des Mordes an einer Frau verdächtigt wurde, von der wir bisher nichts als den Vornamen wussten.
    Â»Was sind Sie von Beruf?«, fragte ich dann.
    Â»Also, gelernt hab ich Chemielaborant«, murmelte Reuschlin.Ich schob das Mikrofon näher an ihn heran. »Bei der BASF in Ludwigshafen drüben. Später hab ich noch ’nen Technikerkurs drangehängt, und dann hab ich sogar noch ein Studium an der FH in Darmstadt angefangen. Hab ich aber nicht gepackt und nach drei Semestern geschmissen.«
    Dass er so bereitwillig Auskunft gab, machte Hoffnung. Mancher Verdächtige konnte sich zu Beginn nicht einmal an sein Alter erinnern.
    Â»Anschließend sind Sie wieder zu Ihrem alten Arbeitgeber zurück?«
    Diese Frage war im Grunde vollkommen sinnlos. Sie diente lediglich dazu, die Atmosphäre zu entkrampfen, dem hin und wieder zitternden Verdächtigen seine Angst zu nehmen.
    Â»Ja, genau.« Reuschlin sah auf seine Hände. Die Finger der Rechten waren gelb von ungezählten Zigaretten. »Die ganze Fortbilderei ist komplett für ’n Arsch gewesen. Hab hinterher keinen Cent mehr verdient, und der Job war sogar noch schlimmer als vorher. Später hab ich dann zum Glück was an der Uni gefunden, hier in Heidelberg. Da ist es eigentlich ganz okay gewesen. Bis vor zwei Jahren. Da konnt ich dann nicht mehr.«
    Â»Aus welchem Grund haben Sie aufgehört?«
    Â»Die Gesundheit. Erst war’s bloß ’ne Allergie, Ausschlag an den Händen, der natürlich überhaupt nichts mit der Arbeit zu tun hat, hat’s geheißen. Wir haben ja alle möglichen Analysen gemacht, jeden Tag hatten wir’s mit anderen Substanzen zu tun, und da kann man natürlich nicht sagen, wo genau es dran gelegen hat. Dann hab ich auch noch Asthma gekriegt, und dann haben sie mich gefeuert. Wegen der Krise. Die Forschungsmittel sind gekürzt worden, und sie hatten keine Arbeit mehr für mich. Als Berufskrankheit haben sie’s nicht anerkannt. Hätt ich eben weniger rauchen sollen, hat der Arzt bloß gemeint.« Reuschlin schlug sich mit dem Handballen an den Kopf und verdrehte die Augen. »Seither hab ich auch manchmal diese komischen Aussetzer. So Filmrisse, irgendwie.«
    Der Anwalt nickte ernst und machte sich eine Notiz. »Für die Erinnerungsstörungen meines Mandanten werden wir selbstredend ein ärztliches Attest beibringen.«
    Â»Wie genau äußert sich das?«
    Ich sah den Anwalt an, ob er mit der Frage einverstanden war. Er reagierte nicht.
    Â»Manchmal steh ich irgendwo und weiß gar nicht, wie ich da hingekommen bin. Oder ich will das Geschirr abwaschen, und wie ich in die Küche komm, da ist es schon sauber im Schrank. So Sachen.«
    Â»Ihr Wohnort?«, fragte Balke so ungerührt, als hätte er die ganze Zeit nicht zugehört.
    Â»Hab eine kleine Einzimmerwohnung in Ladenburg, ganz in der Nähe vom Bahnhof. Früher, da hab ich ’ne super Wohnung in Ludwigshafen gehabt, mit Balkon und Aussicht auf den Rhein und extra Klo und allem. Die hab ich aber verkaufen müssen. In Ladenburg ist die Luft besser. Mein Asthma ist viel besser geworden seither. Nur das mit diesen Aussetzern …«
    Â»Seit Sie arbeitslos sind, tun Sie also gar nichts mehr?«
    Gregor Reuschlin wechselte einen Blick mit seinem Anwalt. Der senkte kurz die Lider zum Zeichen, dass die Frage ungefährlich war.
    Â»Hin und wieder schon«, gestand unser Verdächtiger daraufhin. »Ich helf manchmal in einer kleinen Firma in Ilvesheim aus, wenn Not am Mann ist. Ich kann Ihnen gern mal vorrechnen, was ich im Monat an Rente krieg, und dann können Sie mir mal vorrechnen, wie ein Mensch davon leben soll.«
    Dumm war

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