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Eiskaltes Schweigen

Titel: Eiskaltes Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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eingeschalteten Martinshörnern vom Parkplatz. Ich räusperte mich.
    Â»Die halb leere Weinflasche habe ich im Kühlschrank gesehen«, sagte ich, um zu zeigen, dass ich Reuschlin so weit Glauben schenkte. »Und auch die Gläser in der Spüle.«
    Die Streifenwagen waren schon nicht mehr zu hören. Jetzt war es für Augenblicke vollkommen still. Vor dem Fenster schneite es unaufhörlich in schweren Flocken. Es schien von Minute zu Minute dunkler zu werden.
    Balke klopfte mit seinem Kuli auf den Tisch. »Und weiter?«
    Â»Na, was wohl?«, knurrte Reuschlin mit gesenktem Blick. »Wir sind ins Bett und später sind wir eingeschlafen. Irgendwann in der Nacht hab ich aufs Klo müssen.«
    Â»Wann war das ungefähr?«
    Â»Hab nicht auf die Uhr geguckt. Spät. Es ist ganz still gewesen im Haus.«
    Â»Die Frau hat geschlafen?«
    Â»Wie ein besoffenes Murmeltier. Geschnarcht hat die …«
    Reuschlin wagte längst nicht mehr, einem von uns in die Augen zu sehen.
    Â»Und nachdem Sie auf dem Klo waren, sind Sie auch wieder ins Bett.« Balke hatte sein aggressives Gehabe endlich abgelegt.
    Der Anwalt betrachtete abwechselnd uns und seinen Mandanten wie ein Professor, der mit den bisherigen Leistungen seiner Studenten im Großen und Ganzen zufrieden ist. Ein vierter Streifenwagen jaulte los. Da musste etwas Größeres passiert sein.
    Balke legte mit seinem Stift auf dem Tisch ein Schlagzeugsolo hin. »Vielleicht könnten wir dann langsam mal zum Punkt kommen …«
    Reuschlin schwieg noch für zwei Sekunden, dann sah er auf. »Nein, das stimmt nicht. Ich bin nicht wieder ins Bett. Ich hab mich leise angezogen und bin gegangen. Sie ist nicht mal aufgewacht dabei. Sie hat geschlafen, und sie hat geschnarcht. Und sie hat noch gelebt.«
    Ich lehnte mich zurück und legte die Hände auf den Tisch. Balke stöhnte auf und warf den Stift so heftig auf den Tisch, dass er auf Reuschlins Seite zu Boden fiel. Es hatte so hoffnungsvoll begonnen.
    Der Anwalt schmunzelte kaum merklich. Reuschlin bückte sich, um Balkes Stift aufzuheben und brav auf den Tisch zu legen.
    Â»Herr Reuschlin«, sagte ich schließlich, »die Kollegen in Saarbrücken haben in Ihrer Jackentasche dreizehn Fünfzig-Euro-Scheine gefunden und eine Damenarmbanduhr. Auf den Scheinen sind mit Sicherheit die Fingerabdrücke der Frau, die Sie erstochen haben. Die Armbanduhr passt perfekt um das Handgelenk Ihres Opfers.«
    Â»Moment mal!« Plötzlich war der Anwalt hellwach.
    Â»Ich korrigiere mich: passt perfekt um das Handgelenk der Frau, mit der Sie in der Nacht von Samstag auf Sonntag im Bett waren.«
    Â»Ich … ich hab sie beklaut, ja. Aber umgebracht hab ich sie trotzdem nicht.«
    Â»Sie geben also zu, die Handtasche an sich genommen zu haben?«, hakte ich sofort ein.
    Reuschlin nickte müde.
    Â»Und anschließend sind Sie zum Bahnhof und haben sich eine Fahrkarte nach Paris gekauft? Was wollten Sie dort?«
    Â»Weiß auch nicht.« Er schloss die Augen und riss sie wieder auf. »Wollt einfach irgendwohin. Weg. Wollt mir was leisten von dem Geld. Hab lang genug in meiner Bude gehockt und trocken Brot gefressen.«
    Â»Und da hatten Sie praktischerweise mal wieder einen Ihrer Aussetzer.« Balke schlug mit der einen Hand auf den Tisch und griff sich mit der anderen an den Kopf.
    Â»Genau.« Reuschlin nickte ernsthaft. »Erst in Saarbrücken, da war’s schon hell, und da ist mir erst klar geworden … Weiß auch nicht. Scheiße, Mann!«
    Â»Das ist doch kompletter Blödsinn, was Sie hier absondern«, stöhnte Balke. »Sie haben schon im Lokal gesehen, dass die Frau einen dicken Packen Scheine in der Handtasche hatte. In der Nacht haben Sie sich die Handtasche geschnappt und die Uhr und wollten sich verkrümeln. Dummerweise ist sie aber aufgewacht, es hat eine Rauferei gegeben, Sie haben Ihr Messer genommen …«
    Reuschlin schlug die Hände vors hagere Gesicht. »Nein!«, schrie er. »So war’s nicht! Nein!«
    Â»Haben Sie wegen was anderem Streit gekriegt? Kommt ja schon mal vor, wenn man zusammen säuft.«
    Â»Nein! Nein!«
    Â»Wie war es dann?«, fragte ich hart. »Nun reden Sie endlich!«
    Â»So geht das nicht, meine Herren«, erklärte der Anwalt mit pastoraler Strenge.
    Â»Ich …« Reuschlin starrte keuchend auf die Tischplatte.

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