Eiskaltes Schweigen
sind, wolltet ihr noch un-be-dingt zusammenbleiben.«
»Jetzt sind wir aber ein Jahr älter.«
»Genau!« Sarah war plötzlich Feuer und Flamme. »Du benutzt dein Arbeitszimmer doch sowieso fast nie. Deinen Schreibtisch könntest du ins Wohnzimmer stellen.«
»Ich habe die Nase voll vom Möbelrücken und Wändestreichen. Kommt nicht in Frage!«
»Und das Bücherregal kommt in den Flur«, meinte Louise mit vor Eifer roten Bäckchen.
»Das Bügelbrett könntest du in dein Schlafzimmer tun.«
Mit einem Mal waren sie wieder ein Herz und eine Seele.
»Die Zimmer sind genau gleich groë, überlegte Sarah. »Damit gibtâs in dem Punkt schon mal keinen Streit.«
»Wir bräuchten aber natürlich einen zweiten PC«, fiel Louise ein.
»Und Internet auch im anderen Zimmer.«
Nun gut, es war immerhin so etwas wie ein konstruktiver Lösungsvorschlag. Früher oder später würde das Thema ohnehin auf mich zukommen, die beiden konnten sich ja nicht ewig ein Zimmer teilen. Immerhin würde ich kein neues Bett kaufen müssen, denn sie schliefen noch immer in dem IKEA-Stockbett, das wir angeschafft hatten, als sie drei Jahre alt waren. Das konnte man auseinandernehmen und so zwei getrennte Betten daraus machen. Ein zusätzlicher Schrank würde nicht die Welt kosten, und auch für das PC-Problem sollte sich eine Lösung finden lassen. Das trieb zwar unsere Stromkosten weiter in die Höhe, ersparte aber auf der anderen Seite meinem Nervenkostüm eine Menge Stress.
»Wenn wir es so machen â das heiÃt aber noch nicht, dass ich Ja sage â¦Â Wer von euch kriegt dann das neue Zimmer?«
»Ich«, antworteten meine Töchter völlig gleichzeitig.
8
Flaubert genoss das Aufsehen, das er in der Direktion erregte, in vollen Zügen. Kaum einer konnte es sich verkneifen, unter irgendeinem Vorwand in Runkels Büro vorbeizuschauen und diesen merkwürdigen Vogel zu besichtigen, der mit Berliner Akzent sprach. Hin und wieder hörte ich ihn sogar in meinem Büro, das ein Stockwerk höher lag, schimpfen und krächzen und für Gelächter sorgen. Auch Sönnchen verschwand im Lauf des Donnerstags mehrfach für längere Zeit und kam jedes Mal mit glänzenden Augen zurück.
»Wenn so ein Papagei nicht so furchtbar teuer wäre«, meinte sie, als sie mir die Unterschriftenmappe brachte, »ich würd mir glatt auch einen zulegen.«
»Warten Sie ab, bis Runkel die Lust verliert, ihn jeden Tag zu füttern und den Käfig zu putzen. Wahrscheinlich ist er dann umsonst zu haben.«
»Sie denken nicht, dass jemand Ansprüche erhebt?«
»Wir wissen ja nicht mal, wer seine rechtmäÃige Besitzerin war.«
»Er hat ihn übrigens schon zweimal gebissen«, berichtete sie vergnügt. »Der Herr Runkel hat so spezielle Knabberstangen besorgt, und wie er eine in den Käfig hängen wollt, da hat er ihn gebissen.«
»Schlimm?«
Sie zuckte die Schultern. »Es hat schon ein bisschen geblutet. Der Herr Runkel hat ziemlich geschimpft, und Flaubert hat ein paarmal âºBlödmannâ¹ zu ihm gesagt.«
Während ich Papiere signierte, deren Inhalt mich nicht interessierte, hörte ich sie zum Klappern ihrer Tastatur eine Bach-Motette summen. Meine Sekretärin sang im Kirchenchor, und vermutlich studierte man gerade ein neues Stück ein. Mit einem Mal war es drauÃen still. Summen und Klappern waren gleichzeitig erstorben. Augenblicke später riss Sönnchen die Tür auf und sah mich groà an.
»Die Papageienkrankheit, Herr Gerlach!«
Erst seit Kurzem sprach sie mich mit meinem Namen an. Anfangs hatte sie hartnäckig darauf bestanden, mich als »Herr Kriminalrat« zu titulieren, weil sich das so gehöre für eine Sekretärin. Meine Beförderung hatte sie erst ins Stottern und dann ins Grübeln gebracht, denn der »Kriminaloberrat« ging im Alltag doch schwer über die Zunge. Ihre frühere Drohung, mich im Fall des Falles »Herr Ober« zu rufen, hatte sie zum Glück nicht wahr gemacht, und meinem Bitten, es doch mal mit »Alexander« zu versuchen, hatte sie in Empörung versetzt. So war ich nun also seit Neuestem »Herr Gerlach« für sie.
»Sie meinen, Runkel sollte sich vorsorglich impfen lassen?«
Meine Sekretärin schüttelte den Kopf, dass die Dauerwellen flogen.
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