Eiskaltes Schweigen
kaufen.
DrauÃen war es auch heute ungemütlich. Noch immer lag in manchen Ecken trauriger, schmutziger Schnee. Ein unsympathischer Westwind scheuchte fette Wolken über die Stadt hinweg. Gegen den Nieselregen halfen kein Schirm und kein Mantel. Ich lieà mich vom Wind Richtung Innenstadt treiben.
Bewegung an frischer Luft tat mir normalerweise gut. Beim Gehen klärten sich meine Gedanken, beruhigten sich die Nerven. Aber heute war alles anders. Mein Hals blieb eng. Das Atmen fiel mir schwer. Ich ertappte mich bei dem Gedanken, was wäre, wenn Liebekind sterben würde und Theresa und ich â¦
Irgendwann blieb ich keuchend stehen und stellte fest, dass ich trotz der Kälte schweiÃgebadet war. Es war nicht mehr zu leugnen: ich hatte Liebeskummer. All die Monate, die ich Theresa getroffen und gesprochen, gefühlt und geliebt hatte, hatte ich das Gefühl nicht an mich herangelassen, wollte ich nicht wissen, was ich jetzt endlich wusste, da ich sie ja wohl verlorenhatte: dass ich sie liebte. Im Lauf des Vormittags hatte ich ihr vier ewig lange SMS geschrieben. Keine davon hatte sie beantwortet. Ein Testanruf hatte mir bestätigt, was ich schon befürchtet hatte: ihr Handy war aus.
Ungefähr auf Höhe der Alten Brücke machte ich kehrt und kämpfte nun gegen den Wind an, der minütlich stärker und böser zu werden schien. Immerhin hatte der Regen aufgehört. Die Bewölkung begann aufzureiÃen, und am Ende blitzte sogar hin und wieder eine eiskalte Sonne durch die Lücken. Ich durchstreifte verschiedene Geschäfte auf der Suche nach etwas, dessen Erwerb mir Freude machen könnte. Aber ich fand nichts. Am Ende kaufte ich mir in der Buchhandlung kurz vor dem westlichen Ende der HauptstraÃe eine Taschenbuchausgabe von Madame Bovary .
Als ich erschöpft meine Wohnung wieder betrat, waren meine Zwillinge fast so farbig, wie die Wände hätten sein sollen, und völlig aus dem Häuschen. Ich hoffte, dass sie in ihrer Begeisterung nicht noch begannen, sich gegenseitig zu bemalen, und verkroch mich ins Wohnzimmer. Ich versuchte zu lesen, aber es gelang mir nicht. Ich wollte Musik hören, aber alles, was ich auflegte, ging mir auf die Nerven.
Dann war endlich Zeit zu kochen. Ich hatte vergessen einzukaufen, aber für Pfannkuchen war zum Glück alles im Haus. Für mich mit Speck, Käse und Tomaten, für meine aufgekratzten Töchter mit Nutella. Inzwischen war der eine Raum fertig, und sie hatten begonnen, im anderen die Möbel zusammenzuschieben. Noch immer hatten sie sich nicht einigen können, wer das neue Zimmer bekommen sollte.
Später fuhren wir zusammen zu einem groÃen Möbelmarkt in der Nähe der Autobahn und suchten einen zweitürigen Schrank und eine Kommode aus. Es entspann sich eine längere Diskussion wegen der Betten. Meine Töchter waren der Ansicht, ihre alten Stockbetten aus Kiefernholz seien nicht mehr gut genug für Fast-Erwachsene wie sie. Sie brauchten etwas Neues, Schickes, nicht mehr solchen Kinderkram. Ich zierte mich ein wenig, lieà mich aber schlieÃlich um des Familienfriedens willen in die Bettenabteilung schleppen.
»Das da«, meinte Louise, nachdem sie sich etwa eine halbe Sekunde lang umgesehen hatte. »Das ist geil!«
Das Bett, auf das sie zustrebte, hatte ein verchromtes Metallgestell, sah tatsächlich gar nicht so übel aus. Und war einen Meter vierzig breit.
Sarah nickte aufgeregt. Die beiden sahen mich an und erwarteten eine Reaktion.
Wozu brauchten fünfzehnjährige Mädchen so breite Betten?
»Doch«, sagte ich lahm. »Ganz nett.«
Die IKEA-Betten waren inzwischen wirklich ein wenig unansehnlich geworden, über und über mit Stickern beklebt, mit Abziehbildchen verziert, mit Buntstiften und später Filzschreibern bemalt. Der Preis des neuen Betts war erträglich, und wo wir nun schon einmal hier waren â¦
Aber wozu, verdammt, brauchten fünfzehnjährige Mädchen so breite Betten? Sollte es da etwas geben, von dem ich nichts wusste, das ich jedoch dringend wissen sollte? Die Mienen meiner Töchter verfinsterten sich.
»Ihr bräuchtet auch neue Matratzen und Decken und Bettwäsche.«
»Man soll sowieso alle paar Jahre die Matratze wechseln, haben wir gelesen.«
»Im Internet. Wegen der Hygiene und so. Es gibt da so eklige Maden, die wohnen in Matratzen und â¦Â«
Matratzen waren teuer. Teurer jedenfalls
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