Eiskaltes Schweigen
als dieses kokett im Halogenlicht blitzende, überbreite Bett. Bettroste waren nicht viel billiger.
Dazu neue Decken, Laken, Bezüge. Meine innere Registrierkasse stand inzwischen bei circa eintausend Euro.
»Paps!« Louise hüpfte von einem Fuà auf den anderen. »Bitte!«
»Bittebittebitte!«, sekundierte Sarah nicht weniger zappelig.
»Okay«, hörte ich mich sagen. »In Gottes Namen.«
Die Zwillinge hatten inzwischen bei eBay für einen lächerlichen Betrag einen älteren PC ersteigert, erfuhr ich während der turbulenten Heimfahrt, und auch schon einen Schulfreund akquiriert, der ihn ans Internet bringen würde. Die neuen Möbel sollten am kommenden Dienstag geliefert werden. Um den Kleinkram, Decken, Bettwäsche, würden sie sich selbst kümmern, fest versprochen, und alles andere würde sich mit der Zeit finden.
Zu Hause angekommen, verschwanden meine Töchter im Keller, um dort nach Brauchbarem zu wühlen. Nach und nach schleppten sie einen alten Teppich herauf, den sie mir mit leuchtenden Augen vorführten, zwei längst vergessene Klappstühle mit Kunststoffbezug, einen kleinen, schon ein wenig wackeligen Tisch, den ich noch nie gesehen hatte.
Es gelang mir, mich mit ihnen zu freuen und Theresa für eine Weile fast zu vergessen. Abends gingen wir zur Feier des Tages zusammen zum Italiener an der Rohrbacher StraÃe. Ich gönnte mir ein Viertel Frascati, meine Töchter erzählten mir tausend Dinge, und ich schaffte es sogar, ihnen über weite Strecken zuzuhören. Bei dieser Gelegenheit erfuhr ich von den neuesten Plänen der Band. Im Februar hatte Sam, ihr Entdecker und Manager, nicht weniger als drei Auftritte geplant. Einen in einem Vereinsheim in Eberbach an einem Sonntagnachmittag, einen in Bensheim, von dem sie noch nichts weiter als das Datum wussten, und einen in Ludwigshafen. Dort würden sie als Vorgruppe einer Band auftreten, deren Name mir völlig unbekannt war, was meine Töchter an meinem Verstand zweifeln lieÃ.
Am Sonntag begannen sie wieder zu streiten. Ich dachte die meiste Zeit an Theresa. Von Madame Bovary hatte ich am Abend zuvor einige Seiten gelesen und schon wieder vergessen.
10
»Der Fall Bialas ist gelöst«, eröffnete Balke die Soko-Besprechung am Montagmorgen mit grimmiger Zufriedenheit. »Reuschlin hat gestanden.«
Er erntete teils verblüffte, teils erleichterte Blicke.
»Wie das?«, fragte ich.
»Ich habe ihn mit der Handtasche konfrontiert und mir alles noch mal haarklein erzählen lassen. Mit der Zeit hat er sich immer mehr verheddert, und am Ende hat er gestanden.«
»War sein Anwalt dabei?«
»Wollte er nicht dabeihaben. Das hat er mir unterschrieben.«
»Und was ist mit der Tatwaffe?«
»Hat er weggeworfen, sagt er, vermutlich noch vor der Handtasche. Früher oder später werden wir auch das Messer finden. Mit seinen Fingerabdrücken drauf.«
»Reichen unsere Spuren im Fall des Falles wirklich für einen Indizienprozess?«
Balke hatte sich das Gespräch offenbar anders vorgestellt. Er hatte ein Lob von mir erwartet und keine nörgeligen Fragen.
»Die Techniker arbeiten noch dran«, erwiderte er unzufrieden. »Die haben ja noch nicht mal alle Fingerspuren ausgewertet. Und auÃerdem, wenn ich daran erinnern darf: Reuschlin war am Tatort, er hatte Blut seines Opfers an den Fingern, auf der Handtasche sind seine Fingerabdrücke â¦Â«
»Und das Motiv? Was sagt er, weshalb er sie erstochen hat?«
»Daran kann er sich nicht mehr erinnern.« Sven Balke sah missmutig zur Decke. »Es hat aus irgendeinem Grund Zoff gegeben, nehme ich an, sie hat ihn beleidigt. Herrgott, der Mann war sturzbesoffen!«
»Nun gut«, sagte ich. »Vielleicht bin ich ja zu pessimistisch. Aber kommen wir noch mal zum Opfer. Das ist jetzt natürlich nur noch ein Randaspekt, aber es geht mir trotzdem nicht aus dem Kopf: Vor wem hat sie sich versteckt? Vor Reuschlin mit Sicherheit nicht, denn den hat sie an dem Abend erst kennengelernt. Wovon hat sie gelebt? Von ihrem Konto hat sie seit einem Dreivierteljahr nichts mehr abgehoben. Trotzdem hatte sie einen hübschen Packen Scheine in â¦Â«
Sie sehen gar nicht gut aus, Herr Gerlach, hatte Sönnchen mich am Morgen empfangen. Sie werden mir doch nicht krank? Ich fühlte mich auch nicht gut. Ich war nervös, reizbar, fand mich selbst unausstehlich.
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